Oma kommt!

Nur noch ein paar Tage, dann ist es soweit. Der Große schreibt schon einen Wunschzettel, der Kleine übt, was er vorsingen will. Nein, wir haben uns nicht mit dem Datum vertan. Wir warten nicht aufs Christkind. Wir warten auf Oma.

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Und die erfüllt Kinderwünsche. Solche, die nur Omas erfüllen können. Unbezahlbar eben.

An erster Stelle stehen kulinarische Wünsche. Falscher Hase, Milchreis, Stuten – das kann niemand so wie Oma. Der Große leckt sich schon jetzt den Mund.

An zweiter Stelle steht Quatsch. Wir machen hier schon ne Menge Quatsch, aber Oma-Quatsch ist anders. Beispiele gefällig?

Es ist gut 20 Jahre her. Oben war ein Giggeln zu hören, dann ein Knarren und – eindeutig ein Hüpfen auf dem Bett. Dabei hatte meine Schwester ihren Jungs doch gesagt, dass sie nicht auf den Betten herumhüpfen sollten. Also schnellen Schrittes hoch zum Kinderzimmer, Tür auf – und Sprachlosigkeit. Die Jungs saßen kichernd vorm Bett. Auf selbigem hüpfte, mit einem Laken über dem Kopf: die eigene Mutter. „Oma spielt Gespenst“.

Meine Neffen sind mittlerweile erwachsen, meine Schwester ist über die Sprachlosigkeit hinweg, meine Mutter ist älter. Mit 83 geht manches nur langsamer, mit Verschnaufpause. Aber ruhiger? Weniger Quatsch? Rollator hin, Gehstock her: Kinder müssen toben und die Oma mit ihnen. Einspruch zwecklos. „Ich bin die Oma, ich darf verwöhnen und Quatsch machen. Ätsch“, heißt es dann.

Das sieht dann ungefähr so aus, dass die Oma sich den Rollator packt, den Großen auf den Inline-Skatern zwischen sich und die Gehhilfe klemmt. Und dann üben sie, ja sie lesen richtig: Schwung holen! Und so ein Rollator kann flott werden…

Überhaupt, was man mit so einem Ding alles machen kann. Man kann noch mal Baby sein und sich den Spaziergang lang von Oma schieben lassen. Man kann damit aber auch Wettrennen gegen den Bruder auf dem Roller fahren. Anfeuerungsrufe der Oma inklusive. So ein Gehstock eignet sich prima als Schwert, glücklicherweise passt der Oma der Piratenhut. Lieber Cowboy? Klar, so ein Stock ist ein prima Steckenpferd, auf dem man durch die Wohnung hüpfen kann. Als 83-Jährige.

Fußball spielen, Stopptanz, Geschichten erzählen im Dunkeln, Oma macht alles mit. Hält die Mama die Luft an, weil der Große im Baum die 2-Meter-Marke knackt, dann applaudiert die Oma. Und weist erst nachher auf die lange Stacheldrahtzaun-Narbe an ihrem Bein hin, die von einem Baumsturz in Kindheitstagen stammt.

Vor allem aber: wenn Oma da ist, hat sie Zeit. Und die Jungs haben immer erst einmal Recht. Es gibt kein zu wild, zu laut, zu schnell, zu hoch. „Kinder müssen toben, laut sein, sich ausprobieren“, sagt sie dann. Sie weiß, wovon sie spricht. Nach vier eigenen Kindern, dazu oftmals noch vier Nichten und Neffen im Schlepptau, und später dann sieben Enkeln, kann man ihr eines keinesfalls nachsagen: Mangel an Erfahrung mit Kindern. Als ehemals berufstätige Mutter weiß sie um Pflichten und Aufgaben von uns Eltern, schaut mal mit kritischem, aber immer auch mit bewunderndem Blick auf unseren Alltag. Während sie ihn vollkommen auf den Kopf stellt.

Aber soll ich Ihnen was sagen? Sie darf das. Sie ist eben die Oma. Erziehen müssen die Eltern, Großeltern dürfen auch einfach nur verwöhnen. Die Kinder wissen da genau zu unterscheiden. Ich hätte immer gern Großeltern gehabt (einer der Nachteile des späten Nesthäkchen-Daseins), die man besuchen kann, die einem vielleicht Süßes schenken, was es zuhause nicht gibt. Vielleicht bin ich deswegen etwas nachsichtiger, wenn ich manchmal auch hart schlucken muss oder mein Blutdruck ein wenig steigt.

Doch dann seh ich den Wunschzettel vom Großen. Oder die leuchtenden Augen des Kleinen, der mit „Oma Konfetti“ Roller fahren will. Höre, wie sie sagen: Oma kommt! Als wäre sie das Christkind. Und freue mich einfach, dass sie ihre Oma so intensiv genießen können.

Junge oder Mädchen? Hauptsache Kind!

Als ich das zweite Mal schwanger, der Bauch erkennbar, eine anfängliche Komplikation überstanden war und wir uns einfach nur auf unser zweites KIND freuten, da wurde ich persönlich erstmals auf extreme Art mit den Jungen-Mädchen-Klischees konfrontiert.
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„Weißt du schon, was es wird? Noch ein Junge? Oh, das tut mir leid.“
„Ach, ihr wollt ja sicherlich noch ein drittes. Das wird dann bestimmt ein Mädchen!“

Wie bitte?

Ich hatte mich nicht verhört. Als ich das „tut-mir-leid-wie-schade“ ein zweites Mal hörte, war ich gewappnet. Schlagfertiger. „Wir bitten von Trauerbekundungen Abstand zu nehmen“, habe ich geantwortet. Nein, so sei das ja nicht gemeint gewesen, ich wäre da wohl etwas empfindlich (Hormone!). Aber Jungen seien nunmal eben sehr wild, laut, machten mehr Schmutz und Ärger, es gehe mehr kaputt. Und wenn sie erwachsen seien, dann würden sie sich nicht melden, kümmern würden sich ja immer nur die Töchter.

Als der Große zuletzt eine AG in der Schule wählen konnte, war er ein bisschen unschlüssig. „Ich würde das gern machen. Aber Jungen machen da nicht mit, oder?“ Es ging um die Töpfer- AG.

Seit wann ist das eigentlich (wieder) so, dass Mädchen niedlich, brav, sauber und das „schwache Geschlecht“ sind/sein sollen? Und Jungen sind laut, wild, dreckig, anstrengend, aber so werden sie eben zum „ganzen Kerl“? Kommt es mir nur so vor, oder wird die klassische Rollenzuteilung wieder stärker?

Als vor kurzem die Klassenfotos in der Schule des Großen gemacht wurden, habe ich sie mir genau angeschaut. In seiner Klasse haben alle Mädchen zumindest schulterlange Haare oder länger. Immerhin 2 von 9 trugen dunkelblau, der Rest rosa und/oder Kleid. Bei meinem Erstklässlerfoto von 1979 muss man dagegen schon ganz genau hinschauen, welches Kind ein Junge, welches ein Mädchen ist. Alle trugen Hosen und Rollis, blau, gelb, rot. Kein rosa. Und die meisten hatten geschlechtsneutral den gleichen Topf-Schnitt.

Heute ist alles genau unterteilt: Überraschungseier, Legosteine, Fahrrädchen. Jungs hellblau, Mädchen rosa (Lesenswert dazu: ich-mach-mir-die-welt.de). Jungs aufgeweckt, robust, wild und laut. Mädchen zurückhaltend, zart, leise bastelnd. Lässt sich prima vermarkten und es wird ja gekauft. Kinder werden früh, manchmal unbemerkt (und da schließe ich mich mit ein), in Klischees gepresst.

Wir haben zwei Kinder. Die völlig unterschiedlich sind. Der eine baut gerne und schlüpft in verschiedene Rollen. Der andere spielt versunken mit kleinen Figürchen. Der eine kann stundenlang filigrane Dinge basteln, für die meine Fingerfertigkeit und Geduld lange nicht ausreichen. Der andere malt und knetet ausgiebig. Beide toben, raufen und tollen wild herum. Beide lauschen ganz andächtig, wenn man ihnen Geschichten vorliest. Und ja, beides sind Jungen.

Mehr noch: ich glaube, auch wenn ich eine Tochter hätte, würde sie gern mit mir durch Pfützen hüpfen, Kissenschlachten machen, auf dem Sofa Trampolin springen. Ich würde ihr genauso Geschichten von Pippi Langstrumpf und Jim Knopf vorlesen. Das hat nichts mit Geschlecht, eher mit – nennen wir es eine Art Temperament – zu tun.

Und nein, ich sehe mich nicht als „Jungenmama“. Denn ich glaube im Umgang mit meinen Nichten war ich -was wild, laut, verrückt angeht – nicht anders, als jetzt gegenüber meinen Söhnen.

Rosa gehörte noch nie zu meinen Lieblingsfarben. Ich selbst habe mit Barbies gespielt, aber auch mit Lego. Das war damals allerdings noch unisex. Ich habe Hanni und Nanni gelesen. Aber auch fünf Freunde und die Drei ???. Meine Lieblingsfilmfigur war erst Luzie, der Schrecken der Straße. Später „Die rote Zora“. Ich war keine Pferdenärrin (im Gegensatz zu meinem Bruder, der begeisterter Reiter war), habe aber mit Leidenschaft Jazztanz gemacht. Und war wie mein Bruder Fortuna Düsseldorf-Fan.

Was ich damit sagen will, ist: Es sind Kinder. Sie sollen sich entfalten, ausprobieren, entdecken. In freien Bahnen, nicht nach rosa und hellblau unterteilt. Ihre Möglichkeiten ausschöpfen, für sich das Richtige finden. Ob es nun Fußball, Tanz, Musik oder Malerei ist. Sich nicht rechtfertigen müssen, dass sie etwas tun, obwohl sie doch Junge oder Mädchen sind. Nicht in Rollen gedrängt werden, die sie von vorneherein einschränken. Dabei geht es nicht um Gleichmacherei. Sondern um Vielfalt. Und um Selbstbewusstsein, denn das gehört heute dazu, wenn man seinen Weg gehen will.

Im Töpferkurs sind übrigens drei Jungen und neun Mädchen. Und es macht allen richtig Spaß.

Vorsicht, Hundescheiße

Braun bis tiefschwarz, gelblich, beige. Von ganz fest bis dünnflüssig. Man lernt viel, wenn man Kinder hat. Zum Beispiel auf vier Meter Entfernung einen Hunde- oder Katzenhaufen auf dem Gehweg zu identifizieren, um sogleich den Alarmmodus einzuschalten. Sirenengleich klingt es dann aus meinem Mund „Vorsicht, Hunde-Aa“, während meine Arme in den automatischen Zur-Seite-zieh- und nach vorne-weg-drück-Greifmodus übergehen. Unglücklicherweise bewegen sich Kinder aber oftmals laufend, hüpfend, sprintend vorwärts, so dass selbst der ausfahrbare Muttergreifarm nicht ausreicht, um das Kind vor dem Unvermeintlichen zu retten. Dem Sprung in die Hundescheiße.

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Meine Jungs sind zudem begeisterte Kletterer. Das ist eigentlich das ideale Mittel gegen Vierbeinerscheiße, denn bisher haben wir in Bäumen auf zwei Meter Höhe noch keinen Haufen entdeckt.

Ein Problem allerdings ist es, sicheren Weges, also Hundetretminenfrei, auf einen solchen Baum zu gelangen. Als bestes Mittel hat sich bisher das Detektivspiel bewährt. Man drückt den Kindern eine Lupe in die Hand und erklärt ihnen, wie sie sich langsam an einen Baum heranschleichen und nach Spuren des Hundes von Baskerville Ausschau halten sollen.

Besonders gefährdet sind Kinder, die gutes, festes Schuhwerk tragen. Denn das hat pro Kinderfuß mindestens 37 Rillen, aus denen man die tierischen Verdauungsreste rauspuhlen muss. Und bei all den unzähligen Ratgebern für werdende oder bestehende Eltern, verstehe ich nicht, warum es dazu noch keine Literatur á la „Jedes Kind kann Hundehaufen umlaufen lernen“ oder „111 Tricks, wie sie Hundescheiße rückstandslos aus Kinderschuhen bekommen“ gibt. Das könnten Bestseller werden.

Besonders wirkungsvoll ist es, den Kindern vorzuführen, wie man nicht in Hundescheiße tritt. Zum Beispiel, wenn man neben einem Baum samt Bepflanzung geparkt hat und genau in letzter Schrittlänge vor der Beifahrertür eine eben solche tierische Hinterlassenschaft liegt. Sie öffnen dann möglichst elegant über den Hundehaufen gestreckt die Beifahrertür, drücken dabei mit der anderen Hand ein paar Zweige eines Rosenstrauches, der als Haufensichtschutz an den Baum gepflanzt wurde, zur Seite, um dann galant die Sitzerhöhung für das Gastkind auf den Beifahrersitz zu werfen. Unglücklicherweise haben sie den einen, etwas kürzeren, Rosenstrauchzweig nicht einkalkuliert und er flitscht ihnen seitlich ins offene Auge. Sie lassen also Autotür, Kindersitz und Rosenstrauch los und hüpfen, eine Hand auf das Auge pressend, herum. In dem Moment geht der Alarmmodus ihrer Kinder an und sie rufen unisono: „Vorsicht Mama, Hundescheiße“.

P.S. Keine Sorge: Mutter und dazugehörigem Auge geht es gut, sie weiß jetzt auch, wie es ist, als ungeduldiger Patient in der Ambulanz zu warten. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wo bitte ist die nächste Tankstelle?

Es ist jetzt ziemlich genau zwei Jahre her, da kam ich von meiner Mutter-Kind-Kur zurück. Drei Wochen Auszeit von Alltag, Job, Zuhause. Drei Wochen sich selber in den Mittelpunkt stellen, auf den eigenen Körper achten, Sport machen, drei geregelte, warme Mahlzeiten am Tag, weil die Kinder in ihrer Gruppe aßen.

Ich gebe zu, es hat einige Zeit gedauert, bis mich der Gatte und eine Freundin überzeugt hatten, die Kur zu beantragen. Man hört ja meist nur Schlechtes. Kinder, die sich nicht wohlfühlen. Magen-Darm oder sonstige schreckliche Viren, die einem den Aufenthalt verderben. Gruppenkoller nach drei Wochen mit lauter Müttern und Kindern, die man nicht mag.

Ich hatte Glück. Und eine gute, für mich genau passende Kurklinik-Empfehlung. Die erste Prämisse hier war: Sie sind in einer Mutter-Kind-Kur. Es dreht sich hier also ersteinmal um Sie. Wobei, dass sei gleich eingefügt, die Kinderbetreuung war toll, eine Grundvoraussetzung für entspannte Mütter. Meine Jungs reden heute noch mit Begeisterung von ihren Erzieherinnen, den Dingen, die sie getan und erlebt haben. Und ja: Ein Erkältungsvirus hat mich und den Jüngsten ein paar Tage heftig gequält. Aber im Gegensatz zu daheim musste ich mich um nichts kümmern. Mir wurde Essen ins Zimmer gebracht, die Kinderärztin war im Haus, die Kita des Großen ebenso. Und auch nachts war eine Krankenschwester im Notfall erreichbar. Und nicht zuletzt: Ich habe dort zwei tolle Freundinnen kennengelernt.

Das Wichtigste, was ich aber aus dieser Zeit an der Ostsee mitgenommen habe, ist, auf meine Bedürfnisse zu achten. Klappt zugegebenermaßen nicht immer, aber dafür habe ich meine Kladde mit den Kur-Erinnerungen. Ermahnungen wäre vielleicht das bessere Wort.

Damals ging mir nach fünf Jahren Schlafmangel einfach die Kraft aus. Mein Immunsystem nahm -im negativen Sinne – mit, was es kriegen konnte. Das war ich, die immer fitte, nicht gewohnt. Selbst wenn ich die (kinderfreie) Gelegenheit hatte, durchzuschlafen, mein Körper verweigerte mehr als vier Stunden Schlaf. Ich lag einfach wach. Deswegen dachte ich auch, als ich die Kur antrat, das Einzige was mir fehlen würde, wäre Schlaf.

Aber ich habe gelernt. Es war nicht der Schlaf, der fehlte. Sondern das Runterkommen, Abschalten, Auftanken. „Suchen Sie sich ihre persönliche Tankstelle“ war der beste Rat, der mir mitgegeben wurde. In der Kur war es die Ostsee. Laufen am Strand, danach fühlte ich mich gestärkt.

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Zuhause habe ich auch eine Tankstelle gefunden. Mir wurde schon während der Kur klar, wo sie liegen würde. Am Wasser, genauer gesagt am Rhein. Als der Große frisch geboren war, habe ich hier ständig unbewusst getankt. Spazierengehen und wenn er friedlich schlief, einfach auf eine Bank setzen und Wasser, Sonnenstrahlen, Wind genießen. Aber der Alltag holt einen eben schnell ein. Ob nun mit Kindern oder ohne.

Wenn es jetzt mal wieder ein bisschen viel wird, wie in der vergangenen Woche, das Ich hinter den Ferientagen der Kinder, den Terminen des Mannes, den Anforderungen im Büro, dem tollen zusätzlichen Auftrag, den man nicht ablehnen kann und möchte, zurückfällt, dann brauche ich einen Zwischenstopp an meiner Tankstelle.

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Einfach auf einen dicken Stein ans Wasser setzen. Luft holen. Wellen zuhören. Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Es gibt für mich nichts Besseres.

Funktioniert übrigens auch mit den Kindern. Denn beide lieben die kleinen Buchten am Rhein, kennen keinen schöneren Spielplatz. Hier kann man in Bäumen klettern, als Pirat vorbeifahrenden Schiffen auflauern, nach angeschwemmter Beute suchen, Dämme bauen.

Und dann ist mein Akku wieder für eine gewisse Zeit voll. Mal mehr, mal weniger. Ich muss mich daran erinnern, manchmal auch ermahnen. Aber es tut mir so gut. Und allen anderen um mich herum ebenfalls.

Einen schönen Start in die neue Woche, mit hoffentlich vollem Tank!

Alaaf und Helau oder auch „Der ganz normale Wahnsinn“

Februar. Die Zeit, in der der Rheinländer philosophisch wird. Sich in Frage stellt. Einem tiefen Bedürfnis auf den Grund geht. Wer oder was bin ich? Wer oder was möchte ich sein?

Gut, man könnte auch einfach sagen: Februar, der Monat, in dem der eh schon verrückte Rheinländer völlig durchknallt. Sich grüne Mülltüten und ein Krönchen anzieht, behauptet, er sei der Froschkönig und lauthals „Kamelle“ quakt.

Ja, wir sind jeck hier in Rosas Welt. Gut, man könnte jetzt sagen, das sind wir immer. Stimmt auch irgendwie.

Wenn wir in den Urlaub fahren, hört und sieht man dank unserer Kinder sofort, wo wir herkommen. Sie sitzen am Strand, werfen vor Freude Sand in die Luft und rufen: „Kamelle“. Sie toben im Stroh eines bayrischen Bauernhofs und rufen: „Kamelle“.

Aber im Februar sind wir eben noch etwas jecker. Oder bescheuerter, je nach Sichtweise (okay, der Mann versucht immer noch, sich fünf tolle Tage lang die Decke über den Kopf zu ziehen, aber keine Chance, hier haben sich meine Gene durchgesetzt).

Wie so ein Karnevalstag im Hause Rosa aussieht? Ein Beispiel:

6.45 Uhr Wecken. „Denn wenn dat Trömmelche jeht“ dröhnt aus dem Kinderzimmer.

7.01 Uhr ich brauche dringend einen Kaffee, muss aber erst noch helfen, den Lego-Duplo-Karnevalszug aufzubauen.

7.15 Uhr ich hätte jetzt Zeit für einen Kaffee, muss aber erst einmal meinen Fuß verarzten. Auf der Sohle prangt der Abdruck eines Sheriffs-Sterns.

8.00 Uhr „Jommer in en andere kaschämm…“. Der kleine Sultan hat Dooscht und die Karawane zieht gen Küche. Kaffee…

8.21 Uhr vor mir stehen ein Cowboy und ein Indianer und fordern Kamelle. „Was machst du da mit meinem Kleiderbügel?“ „Das ist mein Bogen, uh!“ Wild ist der Westen, schwer ist der Beruf. Uh. Der Kaffee ist übrigens mittlerweile kalt.

8.53 Uhr fertig machen für den Zooch. Also für einen der vielen am Karnevalswochenende. Der Große hadert noch ein bisschen damit, dass ich künstlerisch nur minderbegabt bin und ihm deswegen nicht ein Darth
Maul-Gesicht schminke. Aber das Astronautenkostüm überzeugt durch den Helm, mit dem man prima Kamelle fangen an.

9.07 Uhr Der Kleine hat sich gerade überlegt, dass er doch lieber passend zum Astronauten-Bruder ein Außerirdischer sein möchte. Wo sind nochmal die grünen Mülltüten? Dazu noch zwei silberne Glitzerkugeln von Weihnachten auf den Kopf. Fertig.

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9.23 Uhr „Mama, bist du soweit?“ Ja, da ist sie dann, die Sinnkrise. Wer oder was bin ich?
Wo ist nur das Hexenkostüm? „Du sollst dich doch verkleiden“, sagt der Mann. Okay, Teufelin. „Als was nicht zu offensichtliches.“ Dann eben Clown. „Och Mama, ein Clown bist du jeden Tag“, sagt der Große. Keine Sorge, das ist unsere Art von Humor hier.

9.38 Uhr Wo sind denn jetzt schon wieder die grünen Mülltüten hin? Der Kleine und ich gehen im Partnerlook.

10 Uhr Wir sind am Zugweg. En unserem Veedel. Wir tun, was Rheinländer so tun im Februar. Wir schreien Alaaf und Kamelle (bei Besuchen in meiner alten Heimat auch mal Helau). Wir schunkeln. Der Mann schnappt. Ich hebe mangels Fangkünsten Kamelle auf. Die Kinder halten ihre Taschen auf und essen.

Irgendwann am Mittag sind wir wieder daheim. Jetzt aber: Kaffee. Und dazu ein Berliner. Aus dem Kinderzimmer hört man es scheppern. Die Jungs stehen auf dem Hochbett und machen, was Kinder Karneval so machen. Sie werfen Kamelle vom Wagen.

Also – halten Sie Mülltüten parat. In diesem Sinne für die nächsten Tage schon einmal: Alaaf! Und Helau!

Opa lässt Pollen schneien

Das Thema trage ich seit April des vergangenen Jahres mit mir herum. Die Texte von Frl.Null.Zwo und @stadtneurotikr berührten dann Ende des Jahres genau diesen wunden Punkt, wie gehe ich mit dem Thema Tod und Kinder richtig um. So viel vorweg: Es gibt keine Pauschalantwort, es gibt schließlich auch nicht „das Kind“, sondern lauter verschiedene kleine Menschen. Ich hoffe nur, dass ich den für meine Kinder richtigen Weg gefunden habe.

„Wer bist du – und was schleichst du hinter mir her?“ „Schön, dass du mich endlich bemerkst“, sagte der Tod. „Ich bin der Tod.“ Die Ente erschrak. Das konnte man ihr nicht übel nehmen. „Und jetzt kommst du mich holen?“ „Ich bin schon in deiner Nähe, so lange du lebst – nur für den Fall.“ „Für den Fall?“ fragte die Ente. „Na, falls dir etwas zustößt. Ein schlimmer Schnupfen, ein Unfall, man weiß nie.“ (aus Wolf Erlbruch, Ente, Tod und Tulpe)

Der Anruf kam, als ich mit den Kindern bei ihrer Kita-Freundin im Garten saß. Ein schöner Frühlingstag, die Sonne kitzelte. „Er ist tot, Papa…“ Eingehangen. Es war mehr ein Schreien, die einzelnen Worte kaum zu verstehen. Aber die Panik in der Stimme meiner Mutter sagte alles. Als ich dem Großen sagte, Opa ginge es nicht gut, ich würde jetzt hinfahren und sie könnten noch hier spielen, bis Papa sie abholen würde, nahm er mich kurz in den Arm und sagte: Okay. Kein Theater, kein Ich-will-aber-mit wie sonst so oft. Nur ein intensiver Blick, eine Umarmung.

Als ich abends beschloss über Nacht bei meiner Mutter zu bleiben, telefonierte ich mit den Jungs. „Ist Opa tot? Wo ist er jetzt?“ Es war nur der Anfang von einer Vielzahl von Fragen. Fragen, die auch ein Jahr danach, immer noch auftauchen.

Wie spricht man mit Kindern über den Tod? Wie geht man vor und mit Kindern mit der eigenen Trauer um? Wie schwer dieses Thema ist, wie unterschiedlich Menschen reagieren, wie schnell es in diesen emotionsgeladenen Momenten zu tiefen Verletzungen kommt, wurde mir erst in diesen Tagen der Trauer bewusst. Die Frage, wie man mit Kindern und dem Thema Tod umgeht, überlagerte einiges. Denn für mich stand fest, dass meine Kinder zu mir, zur Familie und damit auch zur Beerdigung gehören – wenn sie dabei sein wollen. Was für eine Lawine ich damit lostrat, habe ich nicht im entferntesten geahnt.

„Tod ist kein Thema, über das man mit Kindern spricht.“
„Als Mutter musst du deine Kinder beschützen, nicht belasten.“
„Eine Beerdigung ist nichts für Kinder, nachher wird er wegen dieser Erfahrung Bettnässer.“
„Sprich nicht mehr als notwendig über den Opa, ermutige sie nicht auch noch, sich mit dem Thema beschäftigen zu müssen.“

Ratschläge dieser Art, von Menschen, die einem durchaus nahe standen, das hat mich getroffen, fassungslos gemacht. Aber es gab auch andere Stimmen. Die Oma erklärte, sie würde gerne jede Frage nach dem Opa beantworten. Der Pfarrer bekräftigte das Einbeziehen der Enkel, die Erzieherinnen der Kita bestärkten mich.

Schon drei Monate bevor mein Vater starb, war der Tod zwischen mir und meinem großen Sohn ein Thema. Völlig unerwartet starb die kleine Tochter einer Freundin. Als ich die Nachricht bekam, hat es mich umgehauen, ich bekam einen Moment lang kaum Luft, dann schossen mir die Tränen in die Augen. Und der Große sah mich weinen. Ich hätte es nicht verbergen, schönreden können. Und so sprachen wir erstmals über den Tod. Es war der Augenblick, in dem ihm klar wurde, dass jeder sterblich ist. Man muss nicht alt oder sehr krank sein. Auch er kann sterben. Oder sein Papa. Oder ich. Oder eben sein Opa. Wir sprachen darüber, dass Sterben zum Leben gehört. Das Trauern dazu gehört. Dass man Weinen, aber dennoch auch immer noch Lachen kann.

Als der Opa dann starb, hat er geweint. Und er hat gefragt, nach Geschichten vom Opa. Woran erinnere ich mich gerne, was hat Opa als Kind erlebt, wie hat er Oma kennengelernt. In diesen Tagen/Wochen wollte er nichts Vorgelesen bekommen. Ich sollte vom Opa erzählen. Vom Quatschmacher-Opa, der prima Reimen konnte. Vom König der Arschbomben, bei keinem spritzte das Wasser höher. Wir haben zusammen geweint und gelacht. Und ich glaube, in dieser Zeit hat er verstanden, was ich damit meinte, dass der Opa zwar tot, aber dennoch immer irgendwie bei uns, in unserem Herzen sei.

Für die Beerdigung bastelte er eine Kerze, mit einem Regenbogen und einer Taube darauf. In der Kita war gerade das Thema Arche Noah behandelt worden. Die Entscheidung, ob er bei der Beerdigung dabei sein wolle oder nicht, habe ich ihm überlassen. Wir haben darüber gesprochen, was eine Beerdigung ist. Wir haben gesagt, dass er mit allen die Beerdigung feiern könne oder dass wir am Wochenende darauf alleine zum Grab gehen könnten und er ganz normal zur Waldwoche in die Kita könnte. Er hat eine Nacht drüber geschlafen. Am nächsten Tag hat er gesagt: „Mama, du hast immer erzählt, dass Opas Lieblingsort der Wald ist. Ich möchte lieber in den Wald und dann später mit dir und Papa allein zum Grab.“

So haben wir es auch gemacht. Als wir uns am Tag der Beerdigung dann abends unterhielten, erzählte er ganz stolz: „Mama, als ich im Wald stand, da schneite es plötzlich Pollen auf uns herunter. Das war der Opa, der hat sie uns geschickt.“

P.S. Und wer glaubt, ein Dreijähriger wäre zu jung für dieses Thema, würde es nicht verstehen, der unterschätzt Kinder gewaltig. Auch der Kleine hat gefragt, wollte Geschichten vom Opa hören. Hat sich mit dem großen Bruder über den Opa unterhalten. Einen Monat nach dem Tod wurden in der Kita T-Shirts bemalt. Der Kleine malte sich, eine Sonne darüber – und eine Wolke. „Auf der sitzt der Opa, der ist immer bei mir.“

Fragt, so lange ihr fragen könnt

Es war ein Sommertag, Ferien. Ungefähr vor 30 Jahren. Ich verbrachte einige Tage bei meiner Tante und meinem Onkel in Linnich, einem kleinen Ort, Großraum Aachen. Sie wohnten in der gleichen Straße, in der meine Mutter aufgewachsen ist. In den 30er und 40er Jahren. In der Zeit des Nationalsozialismus.

An diesem Sommertag also wollten meine Freundin und ich spielen, auf diesem zugewucherten Grundstück in der kleinen Promenade. Es gab kein Schild, keinen Zaun. Aber der Ort hatte etwas Geheimnisvolles an sich. Es lagen vereinzelt noch Steine auf dem Boden, die an eine Grundmauer erinnerten. Gras und Grün überwucherten alles.

Abends dann erzählte ich, dass ich dort gespielt hatte. Meine Tante schaute mich nachdenklich an, ich muss so 9 oder 10 Jahre alt gewesen sein. „Geh dort bitte nicht zum Spielen hin. Es ist kein Spielplatz, sondern ein ehemaliges Gotteshaus.“

Ein Gotteshaus? Warum stand es nicht mehr? Was ist damit passiert, warum wurde es nicht wieder aufgebaut, warum gibt es kein Schild, warum, warum, warum…?

Mein Kopf war voller Fragen an diesem Abend. Und jede Antwort brachte eine neue hervor. Bis 1938 stand dort die Synagoge des kleinen Ortes. Am 9. November 1938 wurde sie in der „Reichspogromnacht“ niedergebrannt. Und die Familie meiner Mutter wohnte nur rund 50 Meter entfernt.

Wieder zuhause ging das Fragen weiter. Rund 30 jüdische Familien lebten in Linnich als meine Mutter klein war. Sie erzählte mir von ihrer besten Freundin Hannah, die 1938 mit ihrer Familie nach Amerika floh. Von dem Gegröle, den Flammen in der Novembernacht 1938. Und von den Nachbarn, Bekannten, die plötzlich nicht mehr da waren. „Natürlich haben wir das gemerkt, haben wir auch mitbekommen, wie sie abgeholt wurden. Aber es wurde gesagt, wir sollten nicht fragen,“ erinnerte sich meine Mutter.

Und wie war das in dem Ort nahe Düsseldorf, in dem ich aufgewachsen bin? Dann kam mein Vater dran, genau wie meine Mutter Jahrgang 1931. Fragen über Fragen. Er erinnerte sich noch genau an das weithin hörbare Geräusch, als das Klavier des jüdischen Musiklehrers aus dem Fenster geschmissen wurde. Meinem Großvater gelang es, den Sohn aus der Hitlerjugend herauszuhalten. Aber sonst? Widerstand oder Hinnehmen?

Meine Eltern haben meine Fragen immer beantwortet, auch wenn es manchmal nicht leicht war. Ich glaube, dass war ein Grundstein für mein Interesse an jüdischer Geschichte, an jüdischem Leben, am Miteinander von Christentum und Judentum. Und es war mit ein Grund, warum dies später ein Schwerpunkt meines Studiums wurde.

Ich habe seitdem mit vielen Zeitzeugen gesprochen, einige interviewt. Überlebende, die ihre Familien in Konzentrationslagern verloren haben, die als Kinder allein in fremde Länder geschickt wurden und über Jahrzehnte nach vielleicht noch lebenden Verwandten gesucht haben. Aber auch mit Zeitzeugen der Täterseite. Zeitzeugen, die den Nationalsozialismus als Kinder erlebten. Oder auch, die die Zeit als junge Erwachsene erlebten.

In einer Talkshow sah ich vor kurzem Michel Friedman, und er erzählte, wie ein Lehrer ihn einmal bat, ihm Kontakt zu einem Zeitzeugen des Holocausts zu vermitteln. Und Friedman sagte darauf wohl: Warum fragen Sie nicht ihren Vater?

Genau das ist es. Fragt Zeitzeugen, so lange es sie noch gibt. Hört, was die Überlebenden zu sagen haben. Aber fragt auch Großeltern, Eltern, Bekannte, die Teil des Deutschen Volkes waren, die zugesehen haben, es erlebt haben.

Lauter nette Bekannte – oder auch: Willkommen, lieber Winterblues

Der Große in der Schule, den Kleinen eben in die Kita gebracht. Hurra, mein freier Vormittag! Ich betrete das Haus, aber ja…

Die Verabredung mit Herrn Ichmuss, die hab ich ganz vergessen. Gemeinsam wollten wir die Küche aufräumen, Wäsche waschen, den Flur putzen, die Terrasse vom Restschlamm des Kindergeburtstages befreien und Termine beim Zahnarzt vereinbaren. Danach aber…

Ach, Frau Ichsollte kommt spontan zu Besuch. Papiere auf dem Schreibtisch sollten wir eigentlich sortieren, schon länger haben wir uns das Zusammensuchen der Unterlagen für die Steuererklärung vorgenommen.

Ich befürchte, ich muss der Kollegin Ichwollte absagen. Sport, ein Kaffee in Ruhe und vielleicht ein bisschen was lesen, also in meinem Buch. „Drache Kokosnuss“ und „Das wilde Pack“ nachher gelten bei Fräulein Ichwollte nicht.

Vor der Tür treffe ich Herrn Lassliegen. Normalerweise schickt mein Mann ihn vorbei, wenn er nicht selber nach dem Rechten sehen kann. Aber Herr Lassliegen ist schon verplant, Verabredung mit irgendjemand anderem. „Ich komm morgen mal vorbei“, ruft er noch. Mein „da bin ich im Büro“ hört er nicht mehr.

Gerade will ich mich wieder Frau Ichsollte zuwenden, da ruft meine Freundin Ichhabkeinelust an. Grauer Himmel, kalte Füße und keiner, der ihr einen warmen Kaffee bringt – ob ich nicht ein Rezept gegen den Winterblues hätte.

Menschen, das hilft, versichere ich ihr. Ich schicke Herrn Ichmuss, Frau Ichsollte und Fräulein Ichwollte zu ihr, Herr Lassliegen will nachher vielleicht auch noch bei ihr vorbeischauen.

Und ich? Ich koche mir einen Tee, kraule die Katze, mache laut Musik an und genieße jetzt einfach mal meinen Winterblues.

Meine sieben Sachen

Stöckchen spielen in meinem Leben mittlerweile eine Rolle, die ich ihnen vor sieben Jahren nicht zugetraut hätte. Seitdem ich Kinder habe, kann ich an keinem mehr vorbeigehen. Man kann sie schließlich für alles gebrauchen: als Angeln, Schwerter, Spazierstock, Anhängerkupplung. Im Gestrüpp vor unserem Haus lagert mittlerweile eine große Stockfamilie, denn in der Wohnung ist neben all den Steinen, Muscheln und anderen Fundsachen schon kaum noch Platz.

Vor einiger Zeit bin ich dann über eines gestolpert, dass mir zugeworfen wurde (ja, sowas kann ich, schon seit Schulsportzeiten: wenn was geflogen kommt, Augen zu. Und wenn es einem dann nicht ins Gesicht knallt, dann wenigstens drüber stolpern). Geworfen haben diesmal nicht die Söhne, sondern die liebe @nick_f95 . Das Stolpern war zugleich ein Schubs, die Idee mit der Wiederbelebung meines Blogdaseins voranzutreiben. Jetzt also endlich sieben Fakten über mich.

1 Schwäche, also eigentlich meine größte, ist wahrscheinlich die Ungeduld. Komischerweise war ich als Kind nicht ungeduldig, versichern mir alle. Aber will man mich heute quälen, dann lässt man mich warten. Auf einen Rückruf, eine Antwort, eine Nachricht. Manchmal werde ich von Freunden auch mit folgendem Witz beschrieben: Kommt eine Frau ins Geschäft und sagt: „Ich hätte gern ein Geduldspiel. Aber zack-zack.“ Allerdings muss ich auch sagen: Ich bin lernfähig. Und habe drei sehr gelassene Lehrmeister. Aber jetzt mal schnell weiter.

2 ist die Zahl, die mein Leben bisher am meisten umgekrempelt hat. Zweimal war ich plötzlich nicht mehr nur ich, sondern da wuchs noch jemand in mir. Das an sich fand ich schon irgendwie unbegreiflich. Als sie dann da waren, die zwei Söhne (mit zeitlichem Abstand), war es irgendwie noch unbegreiflicher. Richtige kleine Menschen (ja hallo, ich geh‘ gern ins Kino und ich hab Aliens gesehen), perfekt, mit langen Fingernägeln, festem Griff und schon von Beginn an mit ihrem ganz eigenen Charakter. Das hat mich nachhaltig beeindruckt. Und tut es heute jeden Tag noch. Man hört ja viel vorher, wie es sein kann, aber von so einem Abenteuer hat mir keiner was gesagt.

3 große Ozeane gibt es, alle habe ich schon mal gesehen, was ein bisschen etwas über meine Reiselust verrät. Aber Fakt ist einfach: will man mich wieder ins Gleichgewicht bringen, mich erden oder mich einfach mal ruhig stellen, dann setzt man mich am besten ans Meer. Es muss kein Ozean sein, ich liebe Ost- und Nordsee. Hauptsache es riecht nach Meer, nach Weite. Und es rauscht, so dass man nichts anderes mehr hört. Man kann Steine rein schmeißen oder sich nasse Füße holen. Funktioniert übrigens gegebenenfalls auch mit dem Rhein, da landet die Sehnsucht ja schließlich irgendwann ebenfalls im Meer. Aber über „in echt“ geht nix.

4 Leute braucht es in der Regel für meinen Lieblingssport. Der zugegebenermaßen in den vergangenen Jahren hinter den Kindern zurückstehen musste. Entdeckt habe ich ihn in der Schulzeit (Sportunterricht den i c h mochte!) und zwar auf dem Unterbacher See, was der @nick_f95 zumindest etwas sagen wird. Dort fand nämlich das Schulrudern statt, und als ich dann Blut Wasser geleckt hatte, auch das Vereinsrudern. Im Vierer. Als wir nach Bonn zogen, war ich oft am Rhein (siehe 3) und schaute sehnsuchtsvoll den Ruderern zu. Bis ich mich irgendwann anmeldete. Rudern auf dem Rhein ist eine ganz andere Herausforderung als auf einem See, und dann noch mit dem Panorama von Siebengebirge und Drachenfels einfach…wow.

5 Boroughs hat meine Lieblingsstadt. 13 Jahre ist es mittlerweile her, dass ich dort allein ankam und für ein Vierteljahr ein Praktikum bei einer deutsch-jüdischen Zeitung machte. Liebe auf den ersten Blick! Es war eine besondere Zeit, wenige Monate nach 9/11. In der Stadt waren kaum Touristen und die Menschen gingen freundlich auf jeden zu, der kam. Es war eine verwundete Stadt. Aber auch die lebendigste, die ich kennengelernt habe. Mit so vielen unterschiedlichen, spannenden Menschen. Und jedem, der dort die Zeit hat, kann ich nur empfehlen: schaut nicht nur auf Manhattan, schaut euch auch Queens, die Bronx, Staten Island und vor allem (meinherzschlägtfür) Brooklyn an.

6 Fahrstreifen hat die Story Bridge in Brisbane. Was sie aber für mich zu einer ganz besonderen Brücke macht, ist das, was man dort seit 2005 machen kann: Bridge-Climbing. Ein Spaziergang über die Brüstung, in 80 Meter Höhe. Denn Fakt ist: ich habe Höhenangst. Stellt mich auf irgendein Lochgittergerüst in 10 Meter Höhe und meine Beine können nicht mal mehr schlottern. Ich erstarre. Was sehr ungünstig sein kann, wenn man beispielsweise wieder runter möchte. Nun ja. Aber dank der Story Bridge weiß ich, ich kann das, wenn ich will. Mich in 80 Metern Höhe bewegen, mit etwas Stahl und einem Fluß unter mir (und einem Sicherungsseil). Ich kann mich überwinden, austricksen, ich bestimme über mich. Geiles Gefühl.

7 steht für den Monat, indem ich geboren bin. Im Sternzeichen Löwe. Das sagt doch eigentlich schon fast alles. Großes Ego, kann laut brüllen, gibt gern den Ton an, wenn man den Horoskopen glauben mag. Ich kann aber auch nett. Manchmal.

So, nun darf ich mal wild mit Stöckchen um mich schmeißen und wer mag, hebt einfach auf. So geht’s: Verlinkt Autor oder Blogger, der Euch nominiert hat, in Eurem Beitrag. Nennt sieben Fakten über Euch auf Eurem Blog (wer keinen hat, Insta oder TvitLonger geht auch), nominiert sieben weitere Schreibwillige und gebt die hier genannten Regeln weiter. Nun also viel Spaß:

@sarahemily_11
@fannyheather
@joelinhomuc
@missrhapsody
@mama_notes
@werdenundsein
@ktschk

Von Ängsten und vom stark Machen

Ein Kasten voller Sand, ein kleines Teesieb und unzählige kleine „Edelsteine“. Beim Tag der offen Tür von Abenteuer Lernen hätte ich unseren Großen dort den ganzen Tag abgeben können. Der Rabauke, der so gern tobt und Spaß an Experimenten hat, wollte nur noch nach Schätzen graben. Und an diesem Abend im Herbst verkündete er mir dann: „Mama, ich will einen Ägypten-Geburtstag. Mit Ausgrabungen und Toilettenpapier-Mumien-wickeln.“

Mittlerweile ist es Winter, der Geburtstag steht vor der Tür und für K1 ist immer noch klar, es soll eine Mottoparty ins Land der Pharaonen werden. Und um noch ein paar Ideen zu sammeln, verbanden wir das Planen mit einem Ferienausflug ins Ägyptische Museum der Universität Bonn. Mit der Straßen-/U-Bahn ging es also in die Innenstadt, wir kamen aus der Haltestelle und standen direkt vor der schönen Universität Bonn.

„Was ist eine Universität noch einmal, Mama?“ Ich erzähle vom Studieren nach der Schule, von verschiedenen Berufen, die man so erlernen kann, erzähle von meinem Studium. „Hier lernen also ganz viele?“ Ich habe mir bei der Frage nichts gedacht, sie bejaht. Aufgeregt, dachte ich, hielt er meine Hand.

Im Museum schaute er sich neugierig um, ließ sich die Erklärungen für Kinder vorlesen, saugte vieles auf wie ein Schwamm. Aber mir fiel auch seine Nervosität auf. Eine Gruppe Kinder, die an einem Workshop teilnahm, scherzte. Lautes Lachen im Raum. Der Große zuckte zusammen, beobachtete sie. Jaja, alles in Ordnung versicherte er.

Wieder draußen mussten wir auf dem Weg zur U-Bahn an ein paar Teenies vorbei, die übriggebliebene Knaller in Pfützen warfen. K1 klammerte sich an meiner Hand fest. In der U-Bahnstation tickte die SOS-Station kurz. „Was ist das?“ Ich sprach beruhigend auf ihn ein, versuchte alles zu erklären, ich dachte, zu viele Eindrücke. Wir nahmen die nächste Bahn zum Hauptbahnhof, stiegen dort um. Und schlagartig wurde er ruhiger, sicherer.

Am nächsten Tag, ganz beiläufig in einem ganz anderen Zusammenhang dann die Erklärung. „Klingt wie eine Bombe. Wir waren ja gestern auch in so einem Haus mit Bombe.“
Wir waren was und wo?
Mir sträubten sich alle Nackenhaare.

Rückblick: Anfang November kam der Große tränenüberströmt zu mir in die Küche. Im Streit mit seinem Bruder um eine CD hatte er aus Frust das Radio angeschaltet. Just in diesem Moment kam die Nachricht, in Nigeria sei in einer Schule eine Bombe explodiert, Schüler seien getötet worden, überall Blut.

Das hat ihn damals zutiefst erschüttert. Eine Schule, ein sicher geglaubter Ort. Warum mussten Schüler sterben? Es hat an jenem Abend lange gedauert, bis ich ihn beruhigen konnte. Und dann stehen wir knapp zwei Monate später vor einer Universität, einem Ort des Lernens, an dem viele zusammen treffen. Ein Zusammenhang, auf den ich so nie gekommen wäre. Viele Menschen, draußen knallt es, in der U-Bahn tickt es. Was muss er für eine Angst gehabt haben.

Angst ist nichts Fassbares, Logisches. Angst ist nichts Schlimmes, nichts, dass man verdrängen muss. Manchmal ist sie wichtig, macht sie einen doch vorsichtiger. Aber sie darf nicht lähmen. Ich möchte meine Kinder behüten, beschützen, bewahren. Aber ich möchte auch, dass sie die Welt neugierig und offen erkunden. Und da ist sie wieder, die Gratwanderung, die mich seit nun bald sieben Jahren beschäftigt: Das richtige Maß zwischen beschützen und los lassen.

Ich denke, ich kann nur eines für meine Kinder tun: Sie ernst nehmen und bestärken. In ihren Interessen, ihrer Neugier, ihrem Selbstbewusstsein. Sie stark machen. Sie in den Arm nehmen, sie laufen lassen. Der schwierigste Job, den ich je hatte. Und die größte Herausforderung.