Nur noch ein paar Tage, dann ist es soweit. Der Große schreibt schon einen Wunschzettel, der Kleine übt, was er vorsingen will. Nein, wir haben uns nicht mit dem Datum vertan. Wir warten nicht aufs Christkind. Wir warten auf Oma.
Und die erfüllt Kinderwünsche. Solche, die nur Omas erfüllen können. Unbezahlbar eben.
An erster Stelle stehen kulinarische Wünsche. Falscher Hase, Milchreis, Stuten – das kann niemand so wie Oma. Der Große leckt sich schon jetzt den Mund.
An zweiter Stelle steht Quatsch. Wir machen hier schon ne Menge Quatsch, aber Oma-Quatsch ist anders. Beispiele gefällig?
Es ist gut 20 Jahre her. Oben war ein Giggeln zu hören, dann ein Knarren und – eindeutig ein Hüpfen auf dem Bett. Dabei hatte meine Schwester ihren Jungs doch gesagt, dass sie nicht auf den Betten herumhüpfen sollten. Also schnellen Schrittes hoch zum Kinderzimmer, Tür auf – und Sprachlosigkeit. Die Jungs saßen kichernd vorm Bett. Auf selbigem hüpfte, mit einem Laken über dem Kopf: die eigene Mutter. „Oma spielt Gespenst“.
Meine Neffen sind mittlerweile erwachsen, meine Schwester ist über die Sprachlosigkeit hinweg, meine Mutter ist älter. Mit 83 geht manches nur langsamer, mit Verschnaufpause. Aber ruhiger? Weniger Quatsch? Rollator hin, Gehstock her: Kinder müssen toben und die Oma mit ihnen. Einspruch zwecklos. „Ich bin die Oma, ich darf verwöhnen und Quatsch machen. Ätsch“, heißt es dann.
Das sieht dann ungefähr so aus, dass die Oma sich den Rollator packt, den Großen auf den Inline-Skatern zwischen sich und die Gehhilfe klemmt. Und dann üben sie, ja sie lesen richtig: Schwung holen! Und so ein Rollator kann flott werden…
Überhaupt, was man mit so einem Ding alles machen kann. Man kann noch mal Baby sein und sich den Spaziergang lang von Oma schieben lassen. Man kann damit aber auch Wettrennen gegen den Bruder auf dem Roller fahren. Anfeuerungsrufe der Oma inklusive. So ein Gehstock eignet sich prima als Schwert, glücklicherweise passt der Oma der Piratenhut. Lieber Cowboy? Klar, so ein Stock ist ein prima Steckenpferd, auf dem man durch die Wohnung hüpfen kann. Als 83-Jährige.
Fußball spielen, Stopptanz, Geschichten erzählen im Dunkeln, Oma macht alles mit. Hält die Mama die Luft an, weil der Große im Baum die 2-Meter-Marke knackt, dann applaudiert die Oma. Und weist erst nachher auf die lange Stacheldrahtzaun-Narbe an ihrem Bein hin, die von einem Baumsturz in Kindheitstagen stammt.
Vor allem aber: wenn Oma da ist, hat sie Zeit. Und die Jungs haben immer erst einmal Recht. Es gibt kein zu wild, zu laut, zu schnell, zu hoch. „Kinder müssen toben, laut sein, sich ausprobieren“, sagt sie dann. Sie weiß, wovon sie spricht. Nach vier eigenen Kindern, dazu oftmals noch vier Nichten und Neffen im Schlepptau, und später dann sieben Enkeln, kann man ihr eines keinesfalls nachsagen: Mangel an Erfahrung mit Kindern. Als ehemals berufstätige Mutter weiß sie um Pflichten und Aufgaben von uns Eltern, schaut mal mit kritischem, aber immer auch mit bewunderndem Blick auf unseren Alltag. Während sie ihn vollkommen auf den Kopf stellt.
Aber soll ich Ihnen was sagen? Sie darf das. Sie ist eben die Oma. Erziehen müssen die Eltern, Großeltern dürfen auch einfach nur verwöhnen. Die Kinder wissen da genau zu unterscheiden. Ich hätte immer gern Großeltern gehabt (einer der Nachteile des späten Nesthäkchen-Daseins), die man besuchen kann, die einem vielleicht Süßes schenken, was es zuhause nicht gibt. Vielleicht bin ich deswegen etwas nachsichtiger, wenn ich manchmal auch hart schlucken muss oder mein Blutdruck ein wenig steigt.
Doch dann seh ich den Wunschzettel vom Großen. Oder die leuchtenden Augen des Kleinen, der mit „Oma Konfetti“ Roller fahren will. Höre, wie sie sagen: Oma kommt! Als wäre sie das Christkind. Und freue mich einfach, dass sie ihre Oma so intensiv genießen können.