42

Jetzt ist sie da, in meinem Leben angekommen, die Antwort auf die ultimative Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest. Zumindest, wenn es nach Douglas Adams‘ „Per Anhalter durch die Galaxis “ geht.

42

Fühlt sich nicht anders an. Nicht weiser, reifer, wissender. Nicht mal wirklich älter. Alles wie immer. 42, einfach eine Zahl. Aber, momentmal, irgendwas war da noch mit 42.

image

Meine Mutter war 42 Jahre alt, als sie mich bekam. Unerwartetes Nesthäkchen nach drei schon recht großen Kindern. Oder, wie sie es meinen Freunden an meinem 18 erzählte.: „Dann sagte mir der Arzt, ich sei schwanger. Ich bekam…einen Schock.“
(Meinen liebevoll verwendeten Spitznamen in den Wochen darauf mag sich jeder denken. 😉 )

Noch ein Kind, mit 42. Ein gravierender Einschnitt. Meine Mutter hat sich in der Schwangerschaft viele Sorgen gemacht: Geht alles gut, wie alt werde ich sein, wenn es in die Schule kommt, seinen Schulabschluss macht, vielleicht heiratet…

Vor 42 Jahren galt eine schwangere Frau mit 42 eben als alt, sehr alt. So alt, dass im Krankenhaus die Visite mit dem Lehrpersonal zur frischgebackenen Mutter ins Zimmer kam, um aus medizinischer Sicht die „alte Mutter“ zu bewundern.

Mir kam meine Mutter, kamen meine Eltern generell, übrigens nie alt vor, das wurde wenn immer nur von außen an mich herangetragen. Wie bei der Einschulung, als jeder sagen sollte, mit wem er da sei und wie alt die Person sei. Ich weiß noch genau, dass das Mädchen vor mir unter anderem in Begleitung ihrer Oma da war. Die genauso alt war wie meine Mutter. Oma und meine Mutter, dass ging mir gegen den Strich. „Meine Mutter ist sehr jung“, soll ich unerwartet bestimmt gesagt haben.

Überhaupt sagt meine Mutter heute, ich hätte sie jung gehalten. Das Beste, was ihr passieren konnte, ein Kind, dass sie nochmal auf Trab hielt. Ein Jahr nach meiner Geburt haben sich meine Eltern zudem selbstständig gemacht. Erst ein, später zwei Geschäfte mit Baby bzw. Kleinkind am Rockzipfel und drei größeren Kindern, die dann eben auch mit aufpassen mussten.

42 ist heute gesellschaftlich betrachtet nicht mehr „alt“, werdende Mütter in dem Alter gibt es öfter. Ich könnte es mir derzeit nur schwer vorstellen, noch einmal von vorn zu beginnen, mit einem dritten Kind. Fühle mich komplett, so wie es ist. Genieße, die beiden Jungs wachsen zu sehen, auch ihre zunehmende Selbstständigkeit.

Aber eines macht mir diese neue Zahl bewusst. 42 ist eben nur eine Zahl wie viele andere, nicht jung oder alt, sondern das, was man draus macht. Das Leben dreht sich immer weiter. Es hält stets Veränderungen, neue Wege und Überraschungen parat. Wunderschöne, traurige, nervige, herzerwärmende Momente. Wer weiß schon, wohin der Weg führt. Einfach gehen. Mal abbiegen, in eine Sackgasse rennen, wieder zurück zur Kreuzung, andere Strecke ausprobieren. Jeden Tag. Und dabei zwischendurch nicht vergessen zu lächeln oder besser noch – zu lachen.

Douglas Adams hat übrigens in einem Interview mal gesagt, er habe die 42 als Antwort genommen, weil sie ihm gerade eingefallen sei. Später hätte er vielleicht eher die 36 genommen. Aber vielleicht ist die Antwort auch 24 oder 63 oder 84. Eigentlich egal. Eigentlich sollte man doch einfach nur das Leben genießen. Jeden Tag ein bisschen.

Minga, Oida

Geschafft. Jetzt hat mich der Mann nach 19 Jahren doch tatsächlich mal mitgenommen nach München. Und die Kinder gleich dazu. Drei Tage, um lange gepflegte Ressentiments zu überprüfen.
Was soll ich sagen? Zwei total glückliche Kinder, ein stolzer Papa. Und mir hat es auch noch gefallen.

image

Als erstes ist mir aufgefallen, wie sauber die Stadt ist. Ha, wusste ichs doch. (Vielleicht aber ist vor allem Köln einfach nur so dreckig?) Aber München ist eben auch schön.  Badende an der Isar. Bier unter Kastanienbäumen (Kastanien, ey mein Herz). Und ja, das Stadion ist wirklich beeindruckend, von außen. Und so 68 000 Leute, die einer Mannschaft zujubeln, das hat schon was. Auch, wenn es weiterhin die falsche ist ;).

Und nie würde ich auf die Idee kommen, den Viktualienmarkt mit dem Karlsplatz in Düsseldorf zu vergleichen. Aber die Pferdemetzgerei rief doch Assoziationen wach. Und dann wehten auf dem Marienplatz noch Regenbogenfahnen. Ein bisschen wie Köln. Ich muss zugeben: Man kann sich dort wohlfühlen.

image

Vor allem aber: Die Menschen waren so nett. Und herzlich. Nix mit Ressentiments. Alle kaputt. Es war einfach schön. Einziges Manko: Es liegt so weit weg. Aber: Ich habe weder Weißwürstl, noch Obazda noch Wurstsalat gegessen. Ich muss also wohl nochmal hin. Neben den vielen anderen guten Gründen, die mir dafür auch noch einfallen.

image

Jedes Familienmitglied fand übrigens etwas anderes toll. Und daher soll jeder selbst zu Wort kommen (und im Bild zeigen, was ihm gefiel. Deshalb auch das gemalte Werk vom Großen).

Rosa: Biergärten unter Kastanien, dazu das selber Mitbringen können von Kartoffelsalat & Co. Die Erinnerungs-Kieselsteine aus den Schuhen haben die Kinder aber doch in der Jugendherberge zurückgelassen.
Außerdem: Den stolzen Papa und die beiden aufgeregten Jungs vorm Stadion. Und die Erkenntnis, dass die Kinder jetzt so groß sind, dass auch Städtetrips allen zusammen schon Spaß machen können. Hauptsache, man fährt zwischendurch mal Rolltreppe (s.u.).

Paule: Münchner Freunde treffen zu können und meiner Familie diese tollen Eindrücke geschenkt zu haben.

Großer: Alles. Das Stadion. Die Seifenblasen-Experimente im Kindermuseum. Der FCB-Mannschaftsbus auf der Straße. So viele Menschen im Trikot.

Kleiner: Rolltreppen- und U-Bahn fahren. Und [nach kurzem Abstecher nach Oberhaching, Anm. der Redaktion] können wir ein Baumhaus haben?

Also: heute ist nicht aller Tage, wir kommen wieder, keine Frage!

Welcome

Sie war etwa 10, 11 oder 12 Jahre alt. Die Bombenangriffe auf die Gegend, in der sie lebte, nahmen zu. Ständig musste sie die Schulen wechseln, immer wieder wurden diese geschlossen. Zu gefährlich, um zu unterrichten. Ihr Vater hatte Angst um sie und ihre Geschwister. Und schickte seine Jüngste mit der sechs Jahre älteren Schwester allein auf die Reise. Vom Raum Jülich zu Freunden in Richtung Düsseldorf. Tagelang waren die beiden Mädchen unterwegs, wurden immer mal wieder von irgendwem mitgenommen. Mussten in Straßengräben Schutz suchen.

Als meine Mutter mir das erste Mal von diesen Erinnerungen erzählte, war ich in etwa so alt wie sie damals. Und fand es unvorstellbar. Ich kenne die Strecke von klein an. Mit dem Auto braucht man nicht mal eine Stunde. Aber zu Fuß? Als Kind? Mit nur einer ungefähren Vorstellung, wo das Ziel liegen soll? Bei fremden Menschen um Hilfe und Unterstützung bittend?

Es ist etwas mehr als 70 Jahre her, dass mein Opa seine beiden Töchter los schickte. In Richtung Sicherheit. Weg von den Bomben. In Frieden leben zu können, ist ein besonderes Glück. Das haben meine Eltern mir immer wieder deutlich gemacht mit ihren Erinnerungen.

Jetzt bin ich 30 Jahre älter, sitze in einem Interview, und höre Geschichten von Kindern, die flüchten müssen. Deren Eltern ihr ganzes Geld zusammenrafften, um Schlepper dafür zu bezahlen, dass sie ihre Kinder in Sicherheit bringen. Von einem Bruder, der auf dem überladenen Schiff zusehen muss, wie diese Schlepper wahllos nach Menschen greifen und sie über Bord werfen, um „Ballast“ los zu werden. Der zusehen muss, wie sie seine kleine Schwester packen und über Bord werfen.

Ich erfahre von Kindern, die ansehen mussten, wie ihre Lehrer umgebracht, ihre Schulen abgebrannt wurden. Von Jungen und Mädchen, die hier in einem Schwebezustand leben, allerhöchstens geduldet sind, jederzeit mit einer Rücksendung rechnend. Die nicht weit von hier im Kosovo in Höhlen hausten, nicht wussten, wovon sie leben sollten. Von Roma, die dort die Schule nicht besuchen durften, weil sie Roma sind.

Immer mehr Flüchtlinge sind „UmF“s. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Von ihren Eltern losgeschickt, nicht um in ihrem eigenen Land, dessen Sprache sie verstehen, Schutz zu suchen. Sondern tausende Kilometer entfernt. Fern von ihrer Heimat, von ihren Eltern. In einem Land, dessen Sprache sie nicht verstehen, dessen Kultur, Essen, Mentalität ihnen fremd ist. Auf sich gestellt, auf Hilfe angewiesen. Bei Null beginnend. Schon für die Erwachsenen, die hier ankommen, finde ich das eine unglaubliche, allein nicht zu bewältigende Aufgabe. Erst recht für Kinder.

Und dann lese ich von brennenden Flüchtlingsheimen. Von Menschen, die rechte Parolen schreien, öffentlich schlimmste Taten androhen. Wieder. Ich höre auch Sätze wie „Ja, die Kriegsverfolgten, okay. Aber im Kosovo ist doch kein Krieg“. Das Wort vom „Wirtschaftsflüchtling“.

Ich mag mir nicht anmaßen, die Gründe, eine Heimat zu verlassen, alles aufzugeben, zu bewerten. Ich hasse diese Unterteilung in ‚gute‘, berechtigte Fluchtgründe und ’schlechte‘, also ‚wirtschaftliche‘.

Ich weiß nur: Das Wichtigste für mich ist, dass meine Kinder glücklich sind. Ich möchte, dass sie in Frieden und Freiheit aufwachsen können. Sie sollen die Möglichkeiten haben, zu lernen und sich zu entwickeln. Ich möchte nicht, dass sie jemals Hunger leiden müssen. Wegen Herkunft, Religion, Geschlecht oder Sexualität ausgegrenzt oder verfolgt werden. Oder keine medizinische Versorgung erhalten können.

@arstedo hat es in seinem Beitrag „Wenn ich Grieche wär‘ „ kürzlich getroffen mit dem Satz: „Ich profitiere davon, in einem reichen Land in ein gut situiertes Elternhaus hinein geboren worden zu sein.“ Genau das. Wir haben Glück, hier zu leben, Privilegien wie Bildung, Versorgung zu haben.

Ich würde alles tun, damit es meinen Kindern gut geht. Wie könnte ich das einem anderen Menschen absprechen?

Und deswegen muss man den rassistischen Parolen entgegen treten. Für Menschen, die Schutz suchen. Aber auch für uns und unsere Kinder. Und ein friedliches Miteinander.

Deshalb.
Refugees welcome

Praktika gesucht

Wie hast du dich auf das Familienleben vorbereitet? Äh, die Frage machte mich kürzlich stutzig. Ich habe mich nicht vorbereitet. Es ist über mich hereingebrochen. Mit vielen vorher unvorstellbaren Nuancen. Aber vielleicht hätte mir jemand sagen können, dass es gut wäre, einige Praktika zu machen. In verschiedenen Berufszweigen. Also, wenn ich was empfehlen sollte, dann diese:

1. Wrestling

Ein Tag würde reichen. Aber probiert es wenigstens. Nur ein Schnupperkurs. Versucht ein Gefühl dafür zu bekommen, einen Sturz auf euch abfangen zu können. Einer Kopfnuss elegant auszuweichen, einen Tritt in die Magengrube auszuhalten. Mit Kindern nennt sich das später Kuscheln und Knuddeln.

2.Ringrichter/in

Wenn ihr dann schon mal in so einem Boxring, einer Wrestlingarena seid, holt euch Tipps von einem Ringrichter/ einer Ringrichterin. Beobachtet, wie sie die scheinbar wildgewordenen Wesen auseinanderbekommen, in welcher Tonart sie mit ihnen sprechen. Spätestens wenn ihr zwei Kinder habt und das eine den Legoturm des anderen zerdeppert, werdet ihr dieses Wissen brauchen.

3. Kundenservice

Sucht euch ein Unternehmen, auf das jeder schimpft, mit dem jeder schon mal schlechte Erfahrungen gemacht hat. Dann setzt euch eine Stunde in dessen Kundenservice/ in die dortige Beschwerdestelle. Wenn ihr das Gefühl habt, euch klingeln die Ohren, weil alle gleichzeitig sprechen und ihr an euch halten müsst, um dem nächsten Kunden nicht ein „Machen sie ihren Kram doch alleine“ an den Kopf zu werfen und trotzdem einfach nur atmet, seid ihr auf ein wesentliches Element des Familiendaseins vorbereitet.

4. Im medizinischen Bereich

Sich hier vorab einmal umzuschauen hilft, damit man beim Kinderarzt nicht allzu blöd drein schaut, wenn man mit kuriosen Diagnosen konfrontiert wird. So lassen sich Dialoge wie „Hand-, Fuß-, Mundkrankheit – ist das sowas wie Maul-und-Klauenseuche?“ vermeiden. Bei Hüftschnupfen stellt man sich dann vielleicht nicht erschrocken ein niesendes Skelett vor. Und wenn Ärzte im Krankenhaus Wetten abschließen, ob wirklich eine kleine Weintraube in der Speiseröhre des Kindes stecken bleiben und wie diese per Endoskop in den Magen geschubst werden kann, nimmt man das vielleicht mit Humor. Zumindest hat man den mancher Mediziner dann schon mal kennengelernt.

5. Raubtierdompteur/in

Gibt es noch einen Zirkus mit Raubtieren? Eigentlich nicht mein Ding. Aber wenn es jemand schafft, einen Löwen durch einen brennenden Reifen springen zu lassen, dann kann er einem vielleicht auch beibringen, wie man einem Kind Augentropfen verabreicht, Fußnägel schneidet oder Sonnenmilch aufträgt.

6. Trickspieler/in

Ihr trefft einen Hütchenspieler in der Fußgängerzone oder einen Zauberer auf einem Fest? Macht ein Praktikum. „Ich will aber nicht das Glas, in dem weniger drin ist, die kürzere Salzstange, das Stück Käse ohne Löcher.“ Lernt, ruckzuck hinter eurem Rücken und vor den Augen der Kinder einen Schluck abzutrinken, Salzstangen zu justieren und abgezählte Löcher in den Gouda zu pieksen.

7. Verkäufer/in

Geschickte Verkaufsprofis überzeugen ihren Kunden von jedem Produkt. Eignet euch diese Taktik an. Aus „dieses Kleid unterstreicht ihre schlanke Silhouette, wenn man von der Seite schaut“ wird dann eben „Du wolltest kein geschnittenes Brot. Ach, ich dachte es passt so gut zu dir, weil es so viele Stücke sind, wie du alt bist“. Bingo, gekauft, äh, gegessen.

8. Management

Auch hier ist wieder die Wahl des Unternehmens wichtig. Entscheidet euch für eines mit knallhartem Management. Und dann beobachtet, wie die Führungsriege Wünsche abschlägt. Konsequent „Nein“ sagt. Es wird euch nicht unbedingt helfen, wenn das Kind mit großen Kulleraugen vor euch steht und unbedingt fünf Bällchen Schokoeis haben will, oder es in den Sitzstreik tritt, weil es den Ball an der Kasse nicht bekommt. Aber ihr wisst dann schon mal, wie es sich anfühlt, trotzdem „Nein“ zu sagen.

9. Sekretariat

Termine koordinieren, Auslandsreisen strukturieren, improvisieren wenn spontan Geschäftstermine anberaumt werden. Eine bessere Schulung gibt es nicht dafür, einen Haushalt samt den Terminen zweier Berufstätiger, eines Schul- und eines Kitakindes zu organisieren und abzugleichen.

10. Lachyoga

Der, noch nicht lachen, Lachverband, also der Bundesverband für Lachyoga und Humortraining, bildet Lachtrainer aus und bietet Praktika an. Grundloses, erleichterndes Lachen erlernen ist die wichtigste Voraussetzung fürs Elterndasein. Du wachst morgens mit einem kleinem Fuß im Ohr auf, das Schokobrot landet natürlich mit Schokoseite auf dem Boden, du bemerkst erst im Büro, dass der Marmeladenkuss die weiße Bluse traf – lach dich weg. Professionelles Grundwissen kann nicht schaden und schon lacht die ganze Familie. Okay, andere halten euch vielleicht für verrückt. Aber hallo, ihr seid eine Familie, die sind so.

Habt ihr weitere Ideen? Freue mich über jeden Fortbildungsvorschlag.