Ihr Kinderlein kommet

Eigentlich haben wir ja nur Kinder wegen Weihnachten.

Nein, nicht was ihr alle jetzt denkt.

Aber wie das so ist bei den viel beschworenen und beschimpften so genannten Akademikerinnen und Akademikern: Wir hatten gar keinen Lebensplan. Oder gar Familienplan.

Nach dem Studium ging es erst einmal darum, einen Job zu finden. Mehr als eine Freiberuflichkeit mit Zeilengeld. Mehr als eine befristete Stelle. Und immer, wenn mich jemand fragte „Wie sieht es denn mit Kindern aus?“, habe ich das Gleiche geantwortet: „Frag mich in fünf Jahren noch mal.“

Aber Leben passiert halt einfach so. Zum Beispiel war ich plötzlich verheiratet, mit dem Mann, mit dem ich mir einig war, dass wir keinen Trauschein brauchen. Aber hin und wieder funkt das Leben eben dazwischen, wirft noch einen romantisch-melancholischen Moment ein und schwupps antwortet frau nicht nur „Bist du verrückt“ auf die Frage aller Fragen. Sondern schiebt noch ein „Ja“ hinterher.

Und so sind Mann und Frau plötzlich Mitte 30 und verheiratet. Wiedermal läuft ein befristeter Arbeitsvertrag aus. Die Erkenntnis, dass es richtige Sicherheit sowieso nicht gibt, sickert langsam ins Bewusstsein. Die Erkenntnis, dass es richtige und falsche Zeitpunkte sowieso nicht gibt, auch.

Und dann sagte der Mann den entscheidenden Satz. „Also, ich möchte ja mit 50 oder 60 nicht allein unterm Tannenbaum sitzen.“ Kurzes Nachrechnen hatte nämlich ergeben, wenn wir 50/60 sind, werden auch alle Leihneffen und -nichten zu alt sein, um mit uns feiern zu wollen.

Tja, mit Weihnachtswünschen läuft das so, wie ich es auch den Söhnen immer wieder erkläre: Ihr könnt euch alles wünschen. Was davon in Erfüllung geht, müsst ihr abwarten, das liegt nicht in eurer Hand. Wir haben dann einfach mal gewartet. Und gestaunt, was passierte.

Es gab in den vergangenen acht Jahren für uns tatsächlich Geschenke. Zwei Stück. Gut, nicht mit Schleife drum und auch nicht am Weihnachtsabend (gottseidank, K1 machte da ja verfrühte Anstalten, konnte sich aber noch zu drei weiteren Wochen überreden lassen). Aber die schönsten, die wir bekommen konnten. Und mit ihnen ist nicht nur Weihnachten, sondern auch der Advent viel schöner (nicht ruhig oder besinnlich, aber schön).

image

Ich wünsche euch allen einen schönen, lauten, leisen, bunten, glitzrigen, kerzenbescheinten 1. Advent.

Living in a Box

4.30 Uhr. „Mama, kannst du mir mein Kuschelkissen geben?“ Nach fünf Minuten verschlafener Suche der leise Hinweis aus dem Hochbett: „Das habe ich eingepackt. In meinem Karton, ganz unten.“ Aaaaah. Glücklicherweise werden Mütter in Ausnahmesituationen als Ersatz-Kuschelkissen akzeptiert.
image

Aber so ist das im Umzugsmodus. Das halbe Leben in Kartons, die andere Hälfte noch verstreut um einen herum. Ich habe jetzt einen vergessen geglaubten Ohrwurm: „We are living in a Box“. Wir packen ein, sortieren aus, entrümpeln, schmeißen weg (das bereitet mir am Umzug wahre Freude). Los lassen, weggeben. Das sollte man viel öfter machen. Und man findet.

Alte Liebesbriefe zum Beispiel. Aus Zeiten, bevor man sich per Handy „Brauchen noch Brot“ schickte. Alte Fotos – aus anderen Ländern, anderen Jahrzehnten. Und ich habe einen Brief von mir an mich wieder gefunden, gerade mal drei Jahre alt.

In der Mutter-Kind-Kur kam die Anregung von den Schwestern dort. „Schreiben Sie sich einen Brief, was wollen sie aus dieser Zeit mitnehmen, woran erinnert werden“, sagten sie. Den Brief lagerten sie zusammen mit vielen anderen und schickten ihn nach sechs Monaten ab.

Jetzt liegt er wieder hier. Und erinnert mich an vieles, was ich machen und beachten wollte. Manches funktioniert, manches ist wieder ein bisschen in Vergessenheit geraten oder im Alltag untergegangen. Ein Hinweis von mir an mich kam gerade zum Umzug passend:

„Ich muss nicht alles allein schaffen. Nimm angebotene Hilfe an und frag gegebenenfalls darum.“ Klingt leicht, ist aber alles andere als das für jemanden, der meint, immer alles alleine schaffen und regeln zu können.

Wir leben seit nun fast 11 Jahren in unserer Stadt, in die uns unsere Jobs damals brachten. Wir fühlen uns hier wohl, in unserem Viertel, zwischen Rhein und Siebengebirge. Zwischen „Dorf“ und gut erreichbarer Großstadt. Und wir haben hier mittlerweile eine Infrastruktur, die vieles erleichtert.

Bringst-du-hol ich, ist so ein Fall. Sich mit Eltern absprechen, sich gegenseitig den Alltag erleichtern. Gerade jetzt in unserer Umzugsphase wird mir wieder deutlich, wie wertvoll das ist. Und notwendig.

„Wenn ihr Hilfe braucht, sagt Bescheid. Wir holen die Kinder.“ Den Satz habe ich von meiner Schwester gehört, die mal eben 1,5 Stunden Hin-und Rückfahrt auf sich nimmt, um die Kinder zu beschäftigen, während wir packen, putzen, püngeln. Die Schwiegereltern legen Termine so, dass sie ebenfalls ‚mal eben‘ aus 80 Kilometer Entfernung vorbei kommen, um mit dem Großen zum Fußball oder dem Kleinen zum Sankt Martinszug zu gehen. Und aus Kita und Schule haben mich gleich mehrere angesprochen: „Ruf an, wir nehmen die Jungs. Wir sagen das nicht nur, wir meinen es auch so.“

Und was soll ich sagen… es tut überhaupt nicht weh. Im Gegenteil, es fühlt sich gut an, auf andere zurückgreifen zu können. Sich zu überwinden, anzurufen und zu fragen: Kann der Kleine zum Spielen kommen, während wir hier hämmern und schrauben? Zu wissen, dass man nicht auf die Uhr schauen muss, weil jemand anderes die Kinder beim Sport abholt. Und das jemand vor der Tür stehen wird, der beim Tragen der Kartons hilft.

Ich bin begeistert, wie viel Hilfe wir bekommen. Und sehr, sehr, sehr dankbar.

D A N K E !

Nach dem Umzug schreibe ich den nächsten Brief an mich. Zur Erinnerung an all‘ die Unterstützung. Daran, dass es ganz leicht ist, sie anzunehmen. Und daran, dass ich – wenn nicht unbedingt nötig – vorerst nicht mehr umziehen möchte 😉 .

In diesem Sinne: Schreibt mal wieder! Muss ja kein Brief sein, geht auch per Email.

P.S.: Gesendet aus einem Umzugskarton.

Blickwechsel – oder: Einmal kuscheln mit einem Ewok

Klein, grün und alles andere als kuschelig. Ich stehe im Spielzeugladen vor dem Plüsch-Yoda und denke dran, wie der Jüngste sich freuen würde. Und dass dieses Ding eigentlich häßlich ist, oder als Kuscheltier doch zumindest irgendwie gruselig.

image

Und dann sehe ich ihn. Klein, braun und haarig. Mein 30 Jahre alter Traum, der wahr geworden ist. Ein Ewok zum Kuscheln. Die meisten fanden die kleinen Star-Wars-Bären damals ziemlich hässlich. Doch ich träumte von einem Ewok, als an Filmfiguren als Marketingartikel nicht mal zu denken war. Meine Freundin verliebte sich in Luke Skywalker, wie ganz viele andere Mädchen auch. Mir gefiel Han Solo besser, ich hatte aber kein Interesse an der Rolle von Prinzessin Leia. Ich wäre gern als Rebellin ins Ewok-Dorf gezogen, um es gegen das Böse zu verteidigen.

Ich steh also an der Kasse und bezahle das kleine, grüne Ding. Von dem der Jüngste träumt. Es ist überhaupt nicht häßlich. Oder gruselig. Für den Jüngsten ist Yoda weise, lieb und er verteidigt das Gute. Er ist liebenswert – und mit wem, wenn nicht mit ihm, sollte man kuscheliger und beschützter einschlafen?

Das gehört zu den schönsten Dingen, die mir die Jungs ermöglichen. Sich erinnern an den anderen Blick. Manchmal hilft es, in die Hocke zu gehen. Manchmal ist es das Stehen bleiben, weil noch eine Knallerbse am Busch hängt, die laut zertreten werden muss. Manchmal der Besuch eines Spielzeugladens.

Und dann erwische ich mich, wie ich ohne Kinderbegleitung plötzlich mit einem Marienkäfer spreche, der sich ins Büro verirrt hat und den ich mal kurz retten muss. Oder im Park durch einen Laubhaufen hüpfe. So sollte das doch eigentlich viel öfter sein.

Möge der Schlaf mit dir sein, großer Kleiner.