Wo bitte ist die nächste Tankstelle?

Es ist jetzt ziemlich genau zwei Jahre her, da kam ich von meiner Mutter-Kind-Kur zurück. Drei Wochen Auszeit von Alltag, Job, Zuhause. Drei Wochen sich selber in den Mittelpunkt stellen, auf den eigenen Körper achten, Sport machen, drei geregelte, warme Mahlzeiten am Tag, weil die Kinder in ihrer Gruppe aßen.

Ich gebe zu, es hat einige Zeit gedauert, bis mich der Gatte und eine Freundin überzeugt hatten, die Kur zu beantragen. Man hört ja meist nur Schlechtes. Kinder, die sich nicht wohlfühlen. Magen-Darm oder sonstige schreckliche Viren, die einem den Aufenthalt verderben. Gruppenkoller nach drei Wochen mit lauter Müttern und Kindern, die man nicht mag.

Ich hatte Glück. Und eine gute, für mich genau passende Kurklinik-Empfehlung. Die erste Prämisse hier war: Sie sind in einer Mutter-Kind-Kur. Es dreht sich hier also ersteinmal um Sie. Wobei, dass sei gleich eingefügt, die Kinderbetreuung war toll, eine Grundvoraussetzung für entspannte Mütter. Meine Jungs reden heute noch mit Begeisterung von ihren Erzieherinnen, den Dingen, die sie getan und erlebt haben. Und ja: Ein Erkältungsvirus hat mich und den Jüngsten ein paar Tage heftig gequält. Aber im Gegensatz zu daheim musste ich mich um nichts kümmern. Mir wurde Essen ins Zimmer gebracht, die Kinderärztin war im Haus, die Kita des Großen ebenso. Und auch nachts war eine Krankenschwester im Notfall erreichbar. Und nicht zuletzt: Ich habe dort zwei tolle Freundinnen kennengelernt.

Das Wichtigste, was ich aber aus dieser Zeit an der Ostsee mitgenommen habe, ist, auf meine Bedürfnisse zu achten. Klappt zugegebenermaßen nicht immer, aber dafür habe ich meine Kladde mit den Kur-Erinnerungen. Ermahnungen wäre vielleicht das bessere Wort.

Damals ging mir nach fünf Jahren Schlafmangel einfach die Kraft aus. Mein Immunsystem nahm -im negativen Sinne – mit, was es kriegen konnte. Das war ich, die immer fitte, nicht gewohnt. Selbst wenn ich die (kinderfreie) Gelegenheit hatte, durchzuschlafen, mein Körper verweigerte mehr als vier Stunden Schlaf. Ich lag einfach wach. Deswegen dachte ich auch, als ich die Kur antrat, das Einzige was mir fehlen würde, wäre Schlaf.

Aber ich habe gelernt. Es war nicht der Schlaf, der fehlte. Sondern das Runterkommen, Abschalten, Auftanken. „Suchen Sie sich ihre persönliche Tankstelle“ war der beste Rat, der mir mitgegeben wurde. In der Kur war es die Ostsee. Laufen am Strand, danach fühlte ich mich gestärkt.

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Zuhause habe ich auch eine Tankstelle gefunden. Mir wurde schon während der Kur klar, wo sie liegen würde. Am Wasser, genauer gesagt am Rhein. Als der Große frisch geboren war, habe ich hier ständig unbewusst getankt. Spazierengehen und wenn er friedlich schlief, einfach auf eine Bank setzen und Wasser, Sonnenstrahlen, Wind genießen. Aber der Alltag holt einen eben schnell ein. Ob nun mit Kindern oder ohne.

Wenn es jetzt mal wieder ein bisschen viel wird, wie in der vergangenen Woche, das Ich hinter den Ferientagen der Kinder, den Terminen des Mannes, den Anforderungen im Büro, dem tollen zusätzlichen Auftrag, den man nicht ablehnen kann und möchte, zurückfällt, dann brauche ich einen Zwischenstopp an meiner Tankstelle.

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Einfach auf einen dicken Stein ans Wasser setzen. Luft holen. Wellen zuhören. Sonne ins Gesicht scheinen lassen. Es gibt für mich nichts Besseres.

Funktioniert übrigens auch mit den Kindern. Denn beide lieben die kleinen Buchten am Rhein, kennen keinen schöneren Spielplatz. Hier kann man in Bäumen klettern, als Pirat vorbeifahrenden Schiffen auflauern, nach angeschwemmter Beute suchen, Dämme bauen.

Und dann ist mein Akku wieder für eine gewisse Zeit voll. Mal mehr, mal weniger. Ich muss mich daran erinnern, manchmal auch ermahnen. Aber es tut mir so gut. Und allen anderen um mich herum ebenfalls.

Einen schönen Start in die neue Woche, mit hoffentlich vollem Tank!

Alaaf und Helau oder auch „Der ganz normale Wahnsinn“

Februar. Die Zeit, in der der Rheinländer philosophisch wird. Sich in Frage stellt. Einem tiefen Bedürfnis auf den Grund geht. Wer oder was bin ich? Wer oder was möchte ich sein?

Gut, man könnte auch einfach sagen: Februar, der Monat, in dem der eh schon verrückte Rheinländer völlig durchknallt. Sich grüne Mülltüten und ein Krönchen anzieht, behauptet, er sei der Froschkönig und lauthals „Kamelle“ quakt.

Ja, wir sind jeck hier in Rosas Welt. Gut, man könnte jetzt sagen, das sind wir immer. Stimmt auch irgendwie.

Wenn wir in den Urlaub fahren, hört und sieht man dank unserer Kinder sofort, wo wir herkommen. Sie sitzen am Strand, werfen vor Freude Sand in die Luft und rufen: „Kamelle“. Sie toben im Stroh eines bayrischen Bauernhofs und rufen: „Kamelle“.

Aber im Februar sind wir eben noch etwas jecker. Oder bescheuerter, je nach Sichtweise (okay, der Mann versucht immer noch, sich fünf tolle Tage lang die Decke über den Kopf zu ziehen, aber keine Chance, hier haben sich meine Gene durchgesetzt).

Wie so ein Karnevalstag im Hause Rosa aussieht? Ein Beispiel:

6.45 Uhr Wecken. „Denn wenn dat Trömmelche jeht“ dröhnt aus dem Kinderzimmer.

7.01 Uhr ich brauche dringend einen Kaffee, muss aber erst noch helfen, den Lego-Duplo-Karnevalszug aufzubauen.

7.15 Uhr ich hätte jetzt Zeit für einen Kaffee, muss aber erst einmal meinen Fuß verarzten. Auf der Sohle prangt der Abdruck eines Sheriffs-Sterns.

8.00 Uhr „Jommer in en andere kaschämm…“. Der kleine Sultan hat Dooscht und die Karawane zieht gen Küche. Kaffee…

8.21 Uhr vor mir stehen ein Cowboy und ein Indianer und fordern Kamelle. „Was machst du da mit meinem Kleiderbügel?“ „Das ist mein Bogen, uh!“ Wild ist der Westen, schwer ist der Beruf. Uh. Der Kaffee ist übrigens mittlerweile kalt.

8.53 Uhr fertig machen für den Zooch. Also für einen der vielen am Karnevalswochenende. Der Große hadert noch ein bisschen damit, dass ich künstlerisch nur minderbegabt bin und ihm deswegen nicht ein Darth
Maul-Gesicht schminke. Aber das Astronautenkostüm überzeugt durch den Helm, mit dem man prima Kamelle fangen an.

9.07 Uhr Der Kleine hat sich gerade überlegt, dass er doch lieber passend zum Astronauten-Bruder ein Außerirdischer sein möchte. Wo sind nochmal die grünen Mülltüten? Dazu noch zwei silberne Glitzerkugeln von Weihnachten auf den Kopf. Fertig.

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9.23 Uhr „Mama, bist du soweit?“ Ja, da ist sie dann, die Sinnkrise. Wer oder was bin ich?
Wo ist nur das Hexenkostüm? „Du sollst dich doch verkleiden“, sagt der Mann. Okay, Teufelin. „Als was nicht zu offensichtliches.“ Dann eben Clown. „Och Mama, ein Clown bist du jeden Tag“, sagt der Große. Keine Sorge, das ist unsere Art von Humor hier.

9.38 Uhr Wo sind denn jetzt schon wieder die grünen Mülltüten hin? Der Kleine und ich gehen im Partnerlook.

10 Uhr Wir sind am Zugweg. En unserem Veedel. Wir tun, was Rheinländer so tun im Februar. Wir schreien Alaaf und Kamelle (bei Besuchen in meiner alten Heimat auch mal Helau). Wir schunkeln. Der Mann schnappt. Ich hebe mangels Fangkünsten Kamelle auf. Die Kinder halten ihre Taschen auf und essen.

Irgendwann am Mittag sind wir wieder daheim. Jetzt aber: Kaffee. Und dazu ein Berliner. Aus dem Kinderzimmer hört man es scheppern. Die Jungs stehen auf dem Hochbett und machen, was Kinder Karneval so machen. Sie werfen Kamelle vom Wagen.

Also – halten Sie Mülltüten parat. In diesem Sinne für die nächsten Tage schon einmal: Alaaf! Und Helau!