Ins Glas geschaut

Es ist etwa zwei Wochen her. Der Große kam nach Hause, mit stolz geschwellter Brust. Seine Mannschaft hatte ein Spiel mit 6:0 gewonnen, 5 Tore davon hatte er geschossen. „Mama, kann ich ein paar Zettel haben. Für das schöne-Momente-Glas!“

In zwei Wochen ist das Jahr zu Ende. Zeit der Rückblicke. Im vergangenen Jahr bastelten wir erstmals unseren ganz eigenen. Die Idee stammt nicht von mir, ich habe sie letztes Jahr auf dem Blog Frische Brise von Carola gesehen und wusste, dass ist genau mein Ding, das brauche ich jetzt und hab es in abgewandelter Form nachgemacht.

2014 war für mich ein schwieriges Jahr. Mit Verlusten und unerwarteten Veränderungen. Und kurz vor Silvester stand für mich fest: Das Jahr war komplett mies, kann weg. Dann sah ich das Glas von Carola.

Ich setzte mich mit den Jungs zusammen und wir überlegten, was wir Monat für Monat so erlebt hatten. Alle schönen Momente des Jahres 2014 wollten wir sammeln. Es war unglaublich, was da alles zusammen kam – und woran sie sich erinnerten. Den Anblick der Giraffe im Safaripark, die den Kopf durchs Dachfenster in den Bus steckte. Der erste Stadionbesuch mit Papa. Die Arche, die sie im Kindergarten gebaut hatten. Das Stroh im Urlaub auf dem Bauernhof, das so toll an den Füßen kitzelte. Innerhalb kürzester Zeit hatten wir eine Glasvase voller schöner Momente zusammen. Und auch mir fielen plötzlich viele wunderbare Augenblicke und Begegnungen ein. Man muss sich nur die Zeit nehmen, sich zu erinnern. Bewusst an die schönen Momente zu denken, gegebenenfalls ein wenig in sich zu suchen. Und dann stellt man staunend fest: Selbst ein eindeutiges Schrottjahr kann schöne, glänzende Seiten haben.

Am Silvesterabend haben wir die Zettel wie Lose aus dem Glas gezogen und uns gegenseitig vorgelesen. Die Jungs fanden es so toll, dass sie es Neujahr direkt wiederholen wollten.

Und jetzt war es der Große nach seinem tollen Fußballtag, der sich und uns erinnerte: Wir wollen uns auch an diesem Silvesterabend 2015 wieder lauter schöne Momente vorlesen. Uns erinnern, gemeinsam über Geschehenes lachen und auf das neue Jahr freuen. Der Große hat schon angefangen, Zettel zu schreiben. Ich werde mir dieses Wochenende mal Zeit nehmen, meine Erinnerungen aufzuschreiben und den Kleinen nach seinen zu fragen. Ich bin mir sicher, wir kriegen das Glas ganz schnell voll.

Ich stehe fest hinter euch

Als meine 14-jährige Nichte mich fragte, ob ich ihre Firmpatin werden könnte, habe ich nicht lange gezögert. Klar doch, gerne. Und so stand ich nun vorne in der Kirche hinter ihr, legte ihr – während sie vom Bischof den Segen erhielt – die Hand auf die Schulter.

Einer jungen Frau, die die Welt neugierig entdecken will, die wissen will, was früher war, um sich dann der Zukunft zuzuwenden, die Pläne schmiedet, etwas von der Welt sehen will. Wann ist eigentlich aus dem kleinen Mädchen, dass sich anfangs nicht von mir babysitten lassen wollte, weil es vor Menschen mit dunklen Haaren Angst hatte, das als Zweijährige in einer unbeobachteten Sekunde wagemutig auf den höchsten Turm im Kletterparadies gekrabbelt ist und mir arges Herzklopfen bereitet hat, das mit meinen Jungs im Schwimmbad immer um die Wette rutscht, wann ist aus ihr auch diese junge Frau geworden?

Und dann sehe ich neben mir meinen „Großen“ sitzen, der doch eigentlich noch klein ist. Gebannt und ganz ruhig folgt er, der so viel Bewegung braucht und gerne laut und wild ist, der Messe. In wenigen Wochen hat er das erste Schuljahr hinter sich und in diesem einen Jahr auch einen enormen Sprung gemacht: Lesen, Schreiben und Rechnen (das ist ja Pipi-einfach) gelernt, ja. Aber er ist auch ein richtiges Schulkind geworden. Er ist so selbstständig, kommt nach der Schule nach Hause nur um kurz darauf wieder mit seinen Freunden zu verschwinden. „Ich bin doch kein Baby mehr“, ist sein derzeit meistgebrauchter Satz, denn ja – er kann vieles allein und das ist sehr gut und schön so. Und dennoch, wenn er dann bei seinem Freund mal übernachtet hat, dann braucht er am Tag drauf eine doppelte Kuscheleinheit.

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Dann schaue ich auf meinen „Kleinen“. Der eigentlich gar nicht mehr so klein ist. Im Kindergarten ist er jetzt ein „Mittelkind“, er weiß, wo es lang geht. Und er weiß, was er will und wie er es am ehesten bekommt. Er bringt die trockensten Sprüche und ist doch gerade mittendrin in diesem „magischen Alter“, denkt sich wunderbare Geschichten und Figuren aus, kann an keiner Pusteblume vorbeigehen, ohne nicht die kleinen Fallschirme in die Luft zu pusten. Ohne Gute-Nacht-Kuss kann er auf keinen Fall einschlafen, weil er befürchtet, dass sonst auch die Mama nicht gut schlafen kann – „aber den Kuss bitte nur auf die Haare“.

Das ist Glück, denke ich oft, wenn ich auf meine beiden Jungs schaue. Natürlich gibt es Tage, da stellen sie alles auf den Kopf, bringen mich an meine Grenzen. Aber ich lerne auch so wahnsinnig viel von ihnen. Sie sind nicht nachtragend. Sorgen werden geteilt, und dann sind sie weg. Sie schauen genau hin, nehmen sich Zeit, wenn wir Erwachsene vorbeihasten würden. Und sie hinterfragen, was man sagt.

Es erfüllt mich mit großer Zufriedenheit, wenn die beiden, oder besser noch, wir zusammen eine schöne Zeit haben. Wenn sie klettern, lachen, tanzen, toben, sich gegenseitig auskitzeln und füreinander einstehen.

Dann wünsche ich ich mir oft, die Zeit anhalten zu können. Da das nicht geht, hoffe ich zumindest, dass dies Momente sind, die ihre Zukunft prägen. Dass sie glücklich und zufrieden mit sich und ihrem Leben sind. Das sie Träume und Ziele haben und danach streben, sie zu verwirklichen und darin ihr Glück zu finden. Dass sie auch vermeintliche Schwächen als etwas Positives erkennen, dass sie nicht Druck auf sich ausüben, ‚perfekt‘ oder wie die anderen sein zu müssen. Dass sie sich, so wie sie sind, akzeptieren und von anderen angenommen werden. In einer Gesellschaft, die ihnen möglichst so offen entgegentritt wie die Kinder ihr.

Genießt die schönen Momente, speichert sie tief in euch, tankt daraus Kraft für schwierige Tage, möchte ich ihnen zurufen. Bewahrt euren Blick auf das Besondere, Schöne, Lustige, das möchte ich meinen Kindern mitgeben auf ihrem Weg.

„Drücken Sie ruhig ein bisschen fest auf die Schulter der Firmlinge, sie sollen merken, dass Sie hinter ihnen stehen“, merkte der Bischof vor der Firmung noch an. Ja, ich stehe fest hinter meinen Kindern, als Mutter, als Patin. Ich bin für euch da, auch wenn ihr irgendwann eigene Wege geht. Das ist etwas, dass ich ihnen unbedingt mitgeben will.

Heute ist Weltkindertag. Anne von Top-Elternblogs hat in ihrer Blogparade danach gefragt, welche Zukunft wir unseren Kindern wünschen, was Glück ist und welchen Rat wir ihnen mitgeben würden. Dabei habe ich gerne mitgemacht.