Wie hast du dich auf das Familienleben vorbereitet? Äh, die Frage machte mich kürzlich stutzig. Ich habe mich nicht vorbereitet. Es ist über mich hereingebrochen. Mit vielen vorher unvorstellbaren Nuancen. Aber vielleicht hätte mir jemand sagen können, dass es gut wäre, einige Praktika zu machen. In verschiedenen Berufszweigen. Also, wenn ich was empfehlen sollte, dann diese:
1. Wrestling
Ein Tag würde reichen. Aber probiert es wenigstens. Nur ein Schnupperkurs. Versucht ein Gefühl dafür zu bekommen, einen Sturz auf euch abfangen zu können. Einer Kopfnuss elegant auszuweichen, einen Tritt in die Magengrube auszuhalten. Mit Kindern nennt sich das später Kuscheln und Knuddeln.
2.Ringrichter/in
Wenn ihr dann schon mal in so einem Boxring, einer Wrestlingarena seid, holt euch Tipps von einem Ringrichter/ einer Ringrichterin. Beobachtet, wie sie die scheinbar wildgewordenen Wesen auseinanderbekommen, in welcher Tonart sie mit ihnen sprechen. Spätestens wenn ihr zwei Kinder habt und das eine den Legoturm des anderen zerdeppert, werdet ihr dieses Wissen brauchen.
3. Kundenservice
Sucht euch ein Unternehmen, auf das jeder schimpft, mit dem jeder schon mal schlechte Erfahrungen gemacht hat. Dann setzt euch eine Stunde in dessen Kundenservice/ in die dortige Beschwerdestelle. Wenn ihr das Gefühl habt, euch klingeln die Ohren, weil alle gleichzeitig sprechen und ihr an euch halten müsst, um dem nächsten Kunden nicht ein „Machen sie ihren Kram doch alleine“ an den Kopf zu werfen und trotzdem einfach nur atmet, seid ihr auf ein wesentliches Element des Familiendaseins vorbereitet.
4. Im medizinischen Bereich
Sich hier vorab einmal umzuschauen hilft, damit man beim Kinderarzt nicht allzu blöd drein schaut, wenn man mit kuriosen Diagnosen konfrontiert wird. So lassen sich Dialoge wie „Hand-, Fuß-, Mundkrankheit – ist das sowas wie Maul-und-Klauenseuche?“ vermeiden. Bei Hüftschnupfen stellt man sich dann vielleicht nicht erschrocken ein niesendes Skelett vor. Und wenn Ärzte im Krankenhaus Wetten abschließen, ob wirklich eine kleine Weintraube in der Speiseröhre des Kindes stecken bleiben und wie diese per Endoskop in den Magen geschubst werden kann, nimmt man das vielleicht mit Humor. Zumindest hat man den mancher Mediziner dann schon mal kennengelernt.
5. Raubtierdompteur/in
Gibt es noch einen Zirkus mit Raubtieren? Eigentlich nicht mein Ding. Aber wenn es jemand schafft, einen Löwen durch einen brennenden Reifen springen zu lassen, dann kann er einem vielleicht auch beibringen, wie man einem Kind Augentropfen verabreicht, Fußnägel schneidet oder Sonnenmilch aufträgt.
6. Trickspieler/in
Ihr trefft einen Hütchenspieler in der Fußgängerzone oder einen Zauberer auf einem Fest? Macht ein Praktikum. „Ich will aber nicht das Glas, in dem weniger drin ist, die kürzere Salzstange, das Stück Käse ohne Löcher.“ Lernt, ruckzuck hinter eurem Rücken und vor den Augen der Kinder einen Schluck abzutrinken, Salzstangen zu justieren und abgezählte Löcher in den Gouda zu pieksen.
7. Verkäufer/in
Geschickte Verkaufsprofis überzeugen ihren Kunden von jedem Produkt. Eignet euch diese Taktik an. Aus „dieses Kleid unterstreicht ihre schlanke Silhouette, wenn man von der Seite schaut“ wird dann eben „Du wolltest kein geschnittenes Brot. Ach, ich dachte es passt so gut zu dir, weil es so viele Stücke sind, wie du alt bist“. Bingo, gekauft, äh, gegessen.
8. Management
Auch hier ist wieder die Wahl des Unternehmens wichtig. Entscheidet euch für eines mit knallhartem Management. Und dann beobachtet, wie die Führungsriege Wünsche abschlägt. Konsequent „Nein“ sagt. Es wird euch nicht unbedingt helfen, wenn das Kind mit großen Kulleraugen vor euch steht und unbedingt fünf Bällchen Schokoeis haben will, oder es in den Sitzstreik tritt, weil es den Ball an der Kasse nicht bekommt. Aber ihr wisst dann schon mal, wie es sich anfühlt, trotzdem „Nein“ zu sagen.
9. Sekretariat
Termine koordinieren, Auslandsreisen strukturieren, improvisieren wenn spontan Geschäftstermine anberaumt werden. Eine bessere Schulung gibt es nicht dafür, einen Haushalt samt den Terminen zweier Berufstätiger, eines Schul- und eines Kitakindes zu organisieren und abzugleichen.
10. Lachyoga
Der, noch nicht lachen, Lachverband, also der Bundesverband für Lachyoga und Humortraining, bildet Lachtrainer aus und bietet Praktika an. Grundloses, erleichterndes Lachen erlernen ist die wichtigste Voraussetzung fürs Elterndasein. Du wachst morgens mit einem kleinem Fuß im Ohr auf, das Schokobrot landet natürlich mit Schokoseite auf dem Boden, du bemerkst erst im Büro, dass der Marmeladenkuss die weiße Bluse traf – lach dich weg. Professionelles Grundwissen kann nicht schaden und schon lacht die ganze Familie. Okay, andere halten euch vielleicht für verrückt. Aber hallo, ihr seid eine Familie, die sind so.
Habt ihr weitere Ideen? Freue mich über jeden Fortbildungsvorschlag.
Gut getroffen.
Und das Schöne daran: Wenn man dann erst Kinder hat, ist man bestens für die meisten der genannten Jobs qualifiziert!