Endlich Schule. Und jetzt?

Warten ist nicht gerade meine Stärke. Und nachdem der jüngere Sohn keinen Platz an der gleichen Grundschule wie der ältere bekommen hatte, war ich zappelig. Ich beschloss, wegen des Betreuungsplatzes – in Bonn Offene Ganztagsschule, kurz OGS genannt – beim Träger nachzufragen. Und bekam die glückliche Nachricht: Wir haben auch für den zweiten Sohn einen Platz.

Ein OGS-Platz, das bedeutet, das Kind ist nach Schulschluss betreut. Es gibt ein gemeinsames Mittagessen und die Hausaufgaben werden dort gemacht. Ab 15 Uhr bis 16.30 Uhr können die Kinder abgeholt werden. Zudem gibt es je nach Schule beispielsweise sportliche oder kreative AG-Angebote.

Ein Gespräch mit zwei befreundeten Müttern, deren Kinder jetzt auch eingeschult werden, machte mir noch einmal deutlich, wie froh ich über den Platz sein kann – ihre Kinder wurden abgelehnt. Denn im Gegensatz zum Rechtsanspruch bei der Kita gibt es nichts Vergleichbares an der Schule. Und Schulschluss ist in den ersten zwei Jahren meist um 11.30 Uhr. 11.30 Uhr. Mit welchem Job soll das vereinbar sein?

Als unser Ältester ein Jahr alt war, wollte ich wieder in den Job einsteigen. Mein Mann hatte schon im ersten Jahr Stunden reduziert, so dass ich Kontakt halten und freiberufliche Aufträge annehmen konnte. Bei der Suche nach einer Tagesmutter dachten wir ganz naiv, puh kompliziert. Aber wenn das einmal geregelt ist…

In Wahrheit wurde hier schnell deutlich – auch im Kontakt mit anderen Eltern: Unsere Tagesmutter war die einfachste und flexibelste Lösung, die wir je finden sollten. Schon bei der zweiten, die wir besuchten, stimmten Bauchgefühl und alles drum herum. Wir konnten unsere Kinder tageweise bringen, mussten nur die betreuten Stunden zahlen, keinen Pauschalbetrag.

Mit 3 Jahren dann der Wechsel in die Kita: Es war zufällig ein 35-Stunden-Blockplatz frei. Das hieß damals: Vormittags bis 12 Uhr, dann hätte das Kind nachmittags von 14 bis 16 noch einmal kommen können. Da der zweite Sohn gerade geboren war, für uns machbar – und im Sommer darauf konnten wir auf einen regulären Platz aufstocken.

Dann kam die Schul- und Betreuungssuche. Schon bei der Anmeldung wurden wir darauf hingewiesen, wie schwer die Platzvergabe sei. Dass man sich ggf mit anderen Eltern organisieren sollte, wenn man keinen bekäme. Für hin und wieder eine gute Idee, aber als dauerhafte Lösung? Das ist bis heute keine wirkliche Alternative, doch für Eltern, die keinen Platz bekommen, notwendiger Alltag.

An unseren beiden Schulen gibt es von Eltern organisierte Übermittag-Vereine. Das heißt, die Kinder werden dort bis 14 Uhr ehrenamtlich betreut, aber ohne Hausaufgaben und ohne Mittagessen. Es sind tolle Einrichtungen und das Engagement der dort Aktiven ist großartig. Aber für uns hätte diese Lösung zeitlich nicht gereicht. Und auch hier gilt: Die Plätze sind beschränkt.

Sowohl der Ehemann als auch ich sind ehrenamtlich in Schule und Kita aktiv. Wir haben auf unterschiedliche Weise Einblick in die Platzvergabe. Und wir haben festgestellt, wie schwer sich auch die Einrichtungen mit den Absagen tun. Aber es gibt nun mal Kriterien, nach denen sie sich richten müssen: Berufstätigkeit, alleinerziehend, Geschwister etc..

Das Problem sind nicht die Träger, sondern die politische Situation. In der Politik sind Kitaplätze das Thema. Mit dem Ausbau, dem dort investierten Geld, posiert man gern. Der Ausbau ist wichtig und notwendig. Aber es ist eben nur ein Baustein. Und so kommt es mir vor, als baue man hier im Bildungs- und Betreuungswesen ein Haus, nur leider ist nach dem Erdgeschoss das Geld weg. Und außerdem habe man überhaupt vergessen, weitere Stockwerk einzuplanen. Und natürlich gar nicht berücksichtigt, wie viele Personen einziehen sollen.

Die Aufgaben der Mitarbeiter an den OGSen werden immer größer. Mehr Kinder suchen einen Platz, Inklusion sollte eigentlich nicht nur vormittags ein Thema sein und Betreuung qualifiziert, keine Verwahrung. Das ganze dann aber mit wenig Personal bzw. Geld.

Wenn jetzt wie in NRW Landtagswahlen oder im September Bundestagswahlen sind, dann ist das die richtige Gelegenheit, mal bei seinen Kandidaten die Schul- UND Betreuungspolitik an Schulen zu hinterfragen. Und Forderungen zu stellen.

Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, der Kitaausbau ist wichtig – aber was nützt er, wenn man drei oder vier Jahre später beim Thema Schule und Betreuung von Stadt/Kommunen gesagt bekommt: Das ist nicht unsere Aufgabe, dafür gibt es keinen Rechtsanspruch, da machen wir nichts? Und auf die finanzielle Ausstattung gehe ich gar nicht erst weiter ein…

In den meisten Fällen sind es wieder die Frauen, die zurückstecken. Ihren Job aufgeben, kürzer treten, nicht wieder einsteigen (können). Aber betroffen sind die Familien insgesamt und vor allem die Kinder, und um die geht es doch. Gute, qualifizierte Betreuung endet nicht nach der Kita. Und übrigens auch nicht unbedingt direkt nach der Grundschule. Was Vereinbarkeit von Familie und Beruf braucht, ist Weitsicht über plakative Themen hinaus und langfristige Planungen.

Treppengespräch

So, heute ist es soweit. Das erste Zeugnis. Eine Viertelstunde bevor er los muss, steht der Große startklar mit Ranzen an der Tür. Gestern abend klang es noch freudig erregt, als er singend in der Wanne saß: „Morgen kriege ich mein Zeugnis!“

Heute morgen klingt das schon ganz anders. Was wird da wohl drauf stehen? „Ich bin kein guter Schüler, Mama.“ Mathe fliegt im quasi zu, er rechnet bis 100, ich hatte in dem Alter Schwierigkeiten bei Aufgaben bis 20. Er versucht sich schon in Multiplikation, weil „Plus und Minus ja für Babys sind“. Lesen klappt mittlerweile richtig gut, viel wichtiger aber: Es macht ihm Spaß, er liest, was ihm vor die Nase kommt.

„Aber ich mache immer noch mal Fehler.“ Super, er hat meinen Perfektionismus geerbt, von dem ich mich in langwieriger, mühsamer Arbeit über Jahrzehnte getrennt habe. „Da steht auch drin, wenn ich mal nicht aufgepasst habe.“ Nunja. Und er kennt einen Jungen in der dritten Klasse, der das Schuljahr wiederholen musste. Und schließlich dann die eigentliche Frage, die ihn an diesem Morgen umtreibt: „Seid ihr böse, wenn da was Schlechtes drin steht?“

Vergangene Woche landete auf meinem Schreibtisch im Büro noch die alljährlich wiederkehrende Meldung: Die Städte richten vor den Sommerferien wieder Zeugnistelefone ein. Ich habe mich ernsthaft gefragt, wie viele Kinder diesen Beistand dringend brauchen. Und warum das immer noch so ist.

Wir hatten in diesem ersten Schuljahr zwei Elternsprechtage, bei denen uns die Lehrerin erklärt hat, wo Stärken und mögliche Schwächen liegen. Es gibt Bögen, in denen sich die Kinder selbst einschätzen sollen. Die Lehrerin spricht mit ihnen über die Selbstwahrnehmung und wie sie es sieht. Die Eltern bekommen immer mal wieder Aufgaben mit Leistungseinschätzungen vorgelegt. Eine Grundvoraussetzung für das Elterndasein ist doch, sich für das Kind zu interessieren. Da kommt doch ein Zeugnis nicht überraschend.

Bei uns waren Zeugnisse bisher kein Thema. Bis einschließlich der 3. Klasse gibt es keine Ziffernoten, sondern „Leistungsbeschreibungen“, zwischen ’sicher‘ und ‚Übungsbedarf‘. Also ähnlich wie bei mir früher, als in kurzen Sätzen Leistungen eingeschätzt wurden. Ich war in der Grundschule eine gute Schülerin, lediglich Mathe gehörte nie zu meinen Stärken. Und dennoch kenne ich das flaue Gefühl, dass der Große heute hat. Was, wenn da was anderes steht als erwartet? Wie reagieren Mama und Papa?

image

Meine Eltern haben Zeugnisse immer sehr gelassen gesehen. Auch der blaue Brief in der neunten Klasse wurde ein wenig verwundert, aber nicht schimpfend in Empfang genommen. Die Prämisse war immer: Du lernst für dich, du musst für dich was draus machen. Und: Kannst/verstehst du es nicht oder hast du keine Lust, ist es dir zu blöd?

Und so saßen der Große und ich heute morgen noch eine Viertelstunde zusammen auf der Treppe. Ich habe ihm erklärt, dass so ein Zeugnis einem eigentlich nur helfen soll, zu sehen, was man gut kann und was man vielleicht noch üben sollte. Und dass auf keinen Fall jemand mit ihm böse oder gar sauer auf ihn wäre, wenn er etwas noch nicht so gut kann. Dass wir stolz sind auf das, was er alles schon kann. Und dass wir auch oft Fehler gemacht haben, heute noch machen. Besonders gut gefiel ihm natürlich, dass mir das Rechnen „bis 20“ damals schwer fiel.

Zu sehen, wie die Kinder sich mit den gleichen Fragestellungen und Eigenschaften das Leben schwer machen, quasi in einen Spiegel zurückzuschauen, ohne etwas ändern, es ihnen abnehmen zu können, es sie selber erfahren zu lassen, sie die gleichen Fehler machen zu lassen – das ist für mich, glaube ich, mit das Schwerste an diesem Erziehungsdings. Und manchmal hilft es, so ein altes Papier wieder hervorzukramen. Dann weiß man wieder, wie sich die Freude, aber vor allem auch das flaue Grummeln im Magen anfühlte.

Endlich Ferien! Endlich Alltag!

Es wurde echt Zeit. Das vergangene Jahr war anstrengend. Die ersten Monate der Neuorganisation, in denen wir alle uns auf den neuen Rhythmus, den nun der Schulalltag vorgibt, steckten uns in den Knochen. Und der Dezember mit all den besinnlichen Terminen vom Nikolaussingen über Weihnachtsfeiern in Büros, Kita und Schule kostete Kraft. Kurzum: Im Hause Rosa waren zu Beginn der Weihnachtsferien alle, wirklich alle, urlaubsreif.

Ruhe, viel Zeit mit- und füreinander, darauf habe ich mich echt gefreut. Aber jetzt ists auch gut. Hallo Alltag, schau doch mal wieder vorbei, ich würde mich riesig freuen, dich zu sehen.

Zum Beispiel, um mal wieder ganz in – ja, komme gleich, nein Playmobilpizza ist nicht zum Essen, spuck sie wieder aus – Ruhe einen Milchkaffee zu trinken.

Oder um entspannt zu – kann der Papa das nicht reparieren, Mist, jetzt ist der Stein in die Wanne gefallen, du musst deswegen nicht weinen, Lego trocknet wieder – duschen.

Vielleicht habe ich sogar mal wieder Zeit, einen Artikel in der – ja, du darfst die Bilder ausschneiden und dir eine eigene basteln. Nimm eine vom Altpapier, wo ist jetzt die von heute, nein, die wollte ich eigentlich noch kurz lesen durchblättern – Zeitung zu lesen.

Und dann, ja dann habe ich hoffentlich auch wieder Zeit und Muße, hier einen – wenn du dir einen Bruder wünscht, der dich nicht ärgert, sag es vielleicht lieber deinem Bruder, das Christkind kommt erst in knapp einem Jahr wieder. Bitte? Wo der Zauberstab ist, warum? Ich weiß nicht wie der Zauberspruch geht, damit Brüder einen nicht bewünschen – was wollte ich gleich nochmal? Ach ja, Zeit und Muße, um hier einen Blogbeitrag zu schreiben.

Aber es gibt Hoffnung. Morgen sind die Kitaferien vorbei, am Mittwoch die Schulferien. Dann gehe ich wieder die halbe Woche arbeiten. Wir bereiten den 7. Geburtstag des Großen vor. Und die Karnevalsvorbereitungen beginnen. Ganz normaler Alltag eben. Mit Ruhepausen. Und kurzen Momenten nur mit mir.