Februar. Die Zeit, in der der Rheinländer philosophisch wird. Sich in Frage stellt. Einem tiefen Bedürfnis auf den Grund geht. Wer oder was bin ich? Wer oder was möchte ich sein?
Gut, man könnte auch einfach sagen: Februar, der Monat, in dem der eh schon verrückte Rheinländer völlig durchknallt. Sich grüne Mülltüten und ein Krönchen anzieht, behauptet, er sei der Froschkönig und lauthals „Kamelle“ quakt.
Ja, wir sind jeck hier in Rosas Welt. Gut, man könnte jetzt sagen, das sind wir immer. Stimmt auch irgendwie.
Wenn wir in den Urlaub fahren, hört und sieht man dank unserer Kinder sofort, wo wir herkommen. Sie sitzen am Strand, werfen vor Freude Sand in die Luft und rufen: „Kamelle“. Sie toben im Stroh eines bayrischen Bauernhofs und rufen: „Kamelle“.
Aber im Februar sind wir eben noch etwas jecker. Oder bescheuerter, je nach Sichtweise (okay, der Mann versucht immer noch, sich fünf tolle Tage lang die Decke über den Kopf zu ziehen, aber keine Chance, hier haben sich meine Gene durchgesetzt).
Wie so ein Karnevalstag im Hause Rosa aussieht? Ein Beispiel:
6.45 Uhr Wecken. „Denn wenn dat Trömmelche jeht“ dröhnt aus dem Kinderzimmer.
7.01 Uhr ich brauche dringend einen Kaffee, muss aber erst noch helfen, den Lego-Duplo-Karnevalszug aufzubauen.
7.15 Uhr ich hätte jetzt Zeit für einen Kaffee, muss aber erst einmal meinen Fuß verarzten. Auf der Sohle prangt der Abdruck eines Sheriffs-Sterns.
8.00 Uhr „Jommer in en andere kaschämm…“. Der kleine Sultan hat Dooscht und die Karawane zieht gen Küche. Kaffee…
8.21 Uhr vor mir stehen ein Cowboy und ein Indianer und fordern Kamelle. „Was machst du da mit meinem Kleiderbügel?“ „Das ist mein Bogen, uh!“ Wild ist der Westen, schwer ist der Beruf. Uh. Der Kaffee ist übrigens mittlerweile kalt.
8.53 Uhr fertig machen für den Zooch. Also für einen der vielen am Karnevalswochenende. Der Große hadert noch ein bisschen damit, dass ich künstlerisch nur minderbegabt bin und ihm deswegen nicht ein Darth
Maul-Gesicht schminke. Aber das Astronautenkostüm überzeugt durch den Helm, mit dem man prima Kamelle fangen an.
9.07 Uhr Der Kleine hat sich gerade überlegt, dass er doch lieber passend zum Astronauten-Bruder ein Außerirdischer sein möchte. Wo sind nochmal die grünen Mülltüten? Dazu noch zwei silberne Glitzerkugeln von Weihnachten auf den Kopf. Fertig.
9.23 Uhr „Mama, bist du soweit?“ Ja, da ist sie dann, die Sinnkrise. Wer oder was bin ich?
Wo ist nur das Hexenkostüm? „Du sollst dich doch verkleiden“, sagt der Mann. Okay, Teufelin. „Als was nicht zu offensichtliches.“ Dann eben Clown. „Och Mama, ein Clown bist du jeden Tag“, sagt der Große. Keine Sorge, das ist unsere Art von Humor hier.
9.38 Uhr Wo sind denn jetzt schon wieder die grünen Mülltüten hin? Der Kleine und ich gehen im Partnerlook.
10 Uhr Wir sind am Zugweg. En unserem Veedel. Wir tun, was Rheinländer so tun im Februar. Wir schreien Alaaf und Kamelle (bei Besuchen in meiner alten Heimat auch mal Helau). Wir schunkeln. Der Mann schnappt. Ich hebe mangels Fangkünsten Kamelle auf. Die Kinder halten ihre Taschen auf und essen.
Irgendwann am Mittag sind wir wieder daheim. Jetzt aber: Kaffee. Und dazu ein Berliner. Aus dem Kinderzimmer hört man es scheppern. Die Jungs stehen auf dem Hochbett und machen, was Kinder Karneval so machen. Sie werfen Kamelle vom Wagen.
Also – halten Sie Mülltüten parat. In diesem Sinne für die nächsten Tage schon einmal: Alaaf! Und Helau!