Lebensversicherung

Wann genau hat das eigentlich angefangen? Würde mein 29-jähriges Ich, während es gerade in New York ankommt und seine Unterkunft sucht, mich jetzt sehen, es würde sagen: Das bin nicht ich. Das kann nicht sein.

Sicherheit, Geborgenheit, Zuhause, Infrastruktur, Menschen, auf die ich mich verlassen können muss. Dass sind die Worte, die mir derzeit durch den Kopf kreisen. Vor 10 Jahren noch waren es Abenteuerlust, Reisefreudigkeit, Ortswechsel, Spontanität, Flexibilität – alles, nur keine Langeweile.

Wann genau hat sich das gedreht?

Wenn ich ehrlich bin, glaube ich, unmittelbar nach der Geburt des Großen. „Die Geburt wird der schönste Moment deines Lebens, an dieses Glücksgefühl erinnere ich mich immer noch“, bekam ich von erfahrenen Müttern im Verwandtenkreis zu hören. Als dieser kleine Wurm mit seinen langen Fingernägeln und der süßen Stupsnase dann da war, habe ich ihn erstmal nur bestaunt. Und als der Gatte dann sagte, er gehe mal raus, gebe allen Bescheid, da war es das erste Mal da. „Komm schnell wieder“, hab ich gesagt. Aber gefühlt habe ich, worüber ich mir in meiner unbeschwerten Schwangerschaft in dieser Weise keine Gedanken gemacht hatte: Ich bin jetzt für dieses kleine Wesen verantwortlich. Für immer. Mein Kind. Ich will es beschützen, behüten, lieben, zu einem glücklichen Menschen heranwachsen lassen. Ich muss aufpassen. Da sein. Immer. Ich will das gut machen.

Schon vorher hab ich Verantwortung getragen. Im Beruf. In der Partnerschaft. Entscheidungen treffen, ja klar. Gerne auch schnell und in Stresssituationen. Und dann mummelt sich da so ein kleiner Mensch in die Armkuhle und ich stelle plötzlich alles in Frage.

Ich bin keine ängstliche Mutter. Ich lasse sie laufen, klettern, ausprobieren, ermutige sie. Mache notfalls die Augen zu und hoffe, dass alles gut geht. Bin aber da, wenn sie mich rufen oder brauchen. Und ja, ich glaube auch, ich mache meine Sache im Großen und Ganzen gut. So gut ich kann, mit meinen Fehlern eben.

Aber die Sache mit der Verantwortung ist schwerer, als ich dachte. Wenn es gilt Entscheidungen zu treffen, dann hab ich die Kinder im Blick. Was würde es für sie bedeuten? Aber, und das ist das eigentlich Nervige, ich habe Szenarien im Kopf, an die ich früher nie dachte. Was ist, wenn ich den Job verliere? Oder der Mann? Wenn einer von uns krank wird? Wird diese Entscheidung dann noch richtig sein? A oder B, welches ist der richtige Weg? Wenn ich den falschen nehme, was bedeutet das dann für uns? ‚Ob du wirklich richtig stehst, siehst du, wenn das Licht angeht‘, höre ich Michael Schanze in meinem Kopf rufen und warte auf Erleuchtung. Am liebsten nachts, im Dunkeln.

In meiner Umgebung gibt es im Moment Menschen, die ernsthaft erkrankt sind. Die ihren Job verloren haben. Die in einer Insolvenz stecken. Die alle wahnsinnig kämpfen, wofür ich sie zutiefst bewunder. Und ich? Mir geht es gut, Mann und Kindern geht es gut. Und das würde ich gerne einfach absichern. Das Leben versichern, quasi.

Dass das nicht geht, weiß ich selbst. Ich bin vielleicht älter, spießiger, sicherheitsbedürftiger geworden. Aber nicht weltfremd. Ich bin auch immer noch reisefreudig, abenteuerlustig, spontan und flexibel. Nur eben ein bisschen anders. Die Prioritäten haben sich verschoben. Reisen müssen nicht auf einen anderen Kontinent führen, eine Nachtwanderung mit den Jungs ist durchaus abenteuerlich. Spontanität und Flexibilität ergeben sich durch Kinder eh, wenn auch anders als früher.

Und wer macht jetzt mal das Licht an?

Dann ist da gottseidank der Gatte, der damals wirklich in den Kreißsaal zurückgekehrt ist, nachdem er allen Bescheid gesagt hatte. Der immer dann stark ist, wenn ich es nicht bin. Und umgekehrt. Da ergänzen wir uns sehr gut. Und der sagt dann einfach: Das wird schon, wir machen das schon. Wenn nicht so, dann anders.

Alles wird gut. So oder so. Nicht grübeln, machen.