Von Weihnachten, Wichteln und Büchern

Eigentlich hielt ich es im vergangenen Jahr für eine meiner Schnapsideen, aber probieren wollte ich es trotzdem: Ich nutzte den Hashtag #Buchwichteln und suchte nach genauso verrückten lesebegeisterten Menschen. Von den Reaktionen war ich geplättet. Mehr als 40 lesebegeistete Wichtelfreudige meldeten sich. Im Herbst diesen Jahres dann schon die ersten Nachfragen: Machst du das nochmal? Na klar. Denn dieses Sammeln von Interessierten, auslosen und dann schauen, was daraus wird, macht mir wirklich Spaß. Auch in diesem Jahr war es einfach schön, wieder zu sehen, wer sich alles meldete und was dabei quer durch die Republik und bis in die Schweiz geschickt wurde.

Ja, aber was ist denn nun alles auf den Nachttischen und Bücherstapeln der Teilnehmer gelandet? Es kam die Frage auf, ob man daraus nicht eine Art Empfehlungsliste machen könnte. Schöne Idee, fand ich, und habe alle Buchwichtler gebeten, mir zu schreiben, was sie empfohlen, ausgesucht und verschenkt haben. Heraus kam eine erstaunliche Liste, von der ich einiges im neuen Jahr lesen möchte. Vielleicht ist ja auch der ein oder andere neue, interessante Büchertitel für euch dabei? Ich habe die Bücher jetzt einfach so angegeben wie sie mir die meisten genannt haben, also Titel und Autor/in, weder thematisch noch alphabetisch geordnet. Schaut einfach mal drüber, alles weitere findet ihr beim Buchhandel eures Vertrauens. Viel Spaß beim Stöbern.

Und in 2019 gilt dann für das Buchwichteln: Einmal ist keinmal, zweimal ist Zufall – dreimal Tradition.

Die Buchwichtel-Liste 2018

  • Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra; von Robin Sloan
  • Das Mädchenopfer; von James Oswald
  • Drachenläufer; von Khaled Hosseini
  • Der Knochenjäger; von Jeffery Deaver
  • Der Faule Henker; von Jeffery Deaver
  • The hate u give; von Angie Thomas
  • Die Flüsse von London; von Ben Aaronovitch
  • Eine englische Ehe; von Claude Fuller
  • Neujahr; von Juli Zeh
  • Töchter einer neuen Zeit; von Carmen Korn
  • Wie die Steeple Sinderby Wanderers den Pokal holten; von J.L. Carr
  • Frühstück mit Elefanten: Als Rangerin in Südafrika; von Gesa Neitzel
  • Kölsches Kochbuch: Mir koche op Kölsch!; von Ernst Gustav Lüttgau
  • Sport – Das Buch; von Johannes Aumüller
  • Die unsichtbare Bibliothek; von Genevieve Cogman
  • Angstrausch; von Sarah Lutz
  • Was vom Tage übrig blieb; von Kazuo Ishiguro
  • Alles, was wir geben mussten; von Kazuo Ishiguro
  • Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur; von Andrea Wulf
  • Das Graveyard Buch; von Neil Gaiman (als Graphic Novel)
  • Prinzessin Insomnia und der albtraumfarbene Nachtmahr; Walter Moers
  • Zuhause. Die Suche nach dem Ort, an dem wir leben wollen; von Daniel Schreiber
  • Alles im Griff; von Martin Suter
  • Jane Eyre; von Charlotte Brontë
  • Das halbe Leben; von Roswitha Haring
  • Spieltage – Die andere Geschichte der Bundesliga; von Ronald Reng
  • Das Grab im Wald; von Harlan Coben
  • Engelskalt; von Samuel Bjørk
  • Bloody Weekend; M.A. Bennett
  • Das Rennen; Tim Krabbé
  • Hotel Laguna – Meine Familie am Strand; von Alexander Gorgonzola
  • Eine Nacht, Markowitz; von Ayelet Gundar-Goshen
  • Football for Dummies; von A. Wiley Brand
  • Peyton Manning; von Bobby Hunter
  • Kinder des Nebels; Brandon Sanderson
  • Als der Himmel uns gehörte; Charlotte Roth
  • Salz, Fett, Säure, Hitze. Die vier Elemente des guten Kochens; von Samin Nosrat
  • Im Schatten der Arena; von Mara Pfeiffer
  • Stirb, Romeo; von Stefan Keller
  • Goulds Buch der Fische; von Richard Flanagan
  • Unter dem Tagmond; von Keri Hulme
  • Schaltjahr; von Peter Cameron
  • Fool; von Christopher Moore
  • Meilenweit für (k)ein Kamel; von Bernhard Hoëcker
  • Die Stadt der träumenden Bücher, von Walter Moers

Von alten Kaugummis, neuen Plänen und dem Lernen

Schule aus. Ferien. Endlich Ferien. Alle Schulhefte wurden sofort weggeräumt, der Ranzen in den Keller verbannt. Sechs Wochen nicht mehr lernen, hurra!

Die Erleichterung zum Ende des vierten Schuljahres war dem 10-Jährigen anzusehen. Endlich vorbei.

Das letzte Halbjahr an der Grundschule wog schwer auf den zarten Schultern. Es war geprägt vom Thema Abschied, sich trennen von allem Vertrauten, von Lehrerinnen und Erziehenden, und noch schwerwiegender – von Freunden. Der bevorstehende Wechsel auf die weiterführende Schule überschattete das Frühjahr. Der Unterricht in diesem Halbjahr wiederum war geprägt von – Wiederholungen. Das Einmaleins in verschiedensten Varianten, Aufsätze über zurückliegende Wochenenden, englische Vokabeln vom Hobby bis zur Wegbeschreibung: Lernen fühlte sich für den Sohn an wie das Kauen eines alten Kaugummis, das schon lange seinen Geschmack verloren hatte. Hausaufgaben wurden zum Kampf um Zeilen, Buchstaben, Zahlen. Bloß nicht mehr machen als nötig.

„Schule ist lang. Und weilig.“ Der Satz des großen Sohnes hat sich bei mir eingefressen. Wo war dieser neugierige Kerl hin, der vor vier Jahren so begeistert seiner Einschulung entgegen gefiebert hatte? Dann mischte sich die Sorge kleinlaut dazwischen: Wie wird das wohl an der weiterführenden Schule, wenn die Anforderungen höher werden?

Aber jetzt sind erstmal Ferien. Wir haben uns fest vorgenommen, den Gedanken an Schule und Unterricht zu verdrängen. „Jetzt wird nichts mehr gelernt. Überhaupt nichts“, so der Beschluss des 10-Jährigen. Aha.

Stattdessen soll ein Traum in Erfüllung gehen. Seit rund eineinhalb Jahren spricht er davon, dass er auch mal weiter weg reisen möchte. Am liebsten in eine große Stadt. London, Rom oder Paris, das wäre toll. Er hat sogar dafür gespart. Der letzte Stubs kam dann von einer Bekannten, die längere Zeit in London gelebt hat, ein günstiges Hotel empfahl und von der Begeisterung ihrer Kinder für die Stadt erzählte. Spontan habe ich für den Sohn und mich ein London-Wochenende gebucht.

Der Große fiel mir um den Hals, hüpfte durchs Zimmer, jubelte und tanzte. Er erzählte jedem, der davon hören wollte (oder auch nicht) von seinen Reiseplänen.

Tower und Tower Bridge, Buckingham Palast und ein Fußballstadion – so dachte ich, würde er denken. Er hörte plötzlich wieder längst aussortierte CDs der Olchi-Detektive, deren Fälle immer an der Themse spielen. Er holte die ausgelesenen Harry Potter – Bände wieder hervor, unterhielt sich mit Papa, Freunden und Verwandten über die Stadt. Er saugte jede Information über London auf, die er bekommen konnte. Als er mir seine konkreten Reisepläne vorstellte, klappte mir entsprechend erstmal die Kinnlade nach unten.

Klar, Buckingham Palast und Big Ben, Tower und Tower Bridge stehen auf der Liste. Und natürlich ein Fußballstadion. Aber sein Plan enthält weit mehr. Der Sohn möchte durch den Tunnel unter der Themse hindurchgehen (von dem ich bisher gar nichts wusste). Er möchte mit einem Bein auf der westlichen, mit dem anderen auf der östlichen Hemisphäre stehen und deswegen unbedingt nach Greenwich zum Nullmeridian. Er möchte Fish and Chips essen, weiß plötzlich Ungeahntes über die Kronjuwelen der Queen, erzählt mir von ehemaligen Herrschern, um mir kurz darauf den Linksverkehr zu erklären.

In der Bank haben wir vorab schon mal ein paar Pfundnoten getauscht. Jetzt übt er das Wechselkurs-Einmaleins, damit vor Ort ein schnelles Umrechnen klappt. Der Stadtplan von London ist quasi zur Bettlektüre geworden, er plant Routen, prüft die U-Bahnstrecken. Nein, er lernt nicht, wo denken sie hin. Er bereitet sich auf London vor.

Das Einmaleins hat plötzlich einen Sinn bekommen, ebenso die englischen Vokabeln und die Wegbeschreibungen, die Bestandteil der letzten Deutscharbeit waren.

Meine Kinder würden es nie sagen, aber sie sind total lernbegierig. Oder besser: wissbegierig. Sie wollen die Welt entdecken, erkunden, erforschen. Das geht am besten ganz praktisch – planen, anfassen und ausprobieren.

London ist da nur ein Beispiel. Aber wenn ich dem Großen sagen würde, dass er bisher jeden Tag in den Ferien gelernt hat, würde er mich nur ungläubig anschauen. Lernen heißt auch, aber eben nicht nur, in Bücher schauen oder manchmal gar unliebsames Auswendiglernen.

Lernen ist viel mehr auch, bei nächtlichem Blitz und Donner zusammenzusitzen, Sekunden zu zählen, über Schallgeschwindigkeit zu reden und die Entfernung des Gewitters zu berechnen. Lernen ist auch, unter freiem Himmel zu schlafen und den Sternenhimmel zu bestaunen. „Ist das da der große Wagen?“ Lernen heißt auch, auf den Körper zu hören, sich auszuruhen und sich dabei schrecklich zu langweilen. Um dabei dann plötzlich die Idee für eine Geschichte über einen kleinen Jungen und dessen magische Sportschuhe zu haben, die man sofort aufschreiben muss.

Die Hälfte der Ferien hier sind mittlerweile um. Das Geschichtenheft hat der Große aus den verbannten Schulsachen wieder hervorgekramt. Er muss da unbedingt etwas aufschreiben, sonst vergisst er die Idee noch. Das Englischheft hat er bei der Gelegenheit gesehen und auch mal kurz durchgeblättert, nur so, natürlich.

Denn gelernt wird hier in den Ferien nicht. Rein gar nichts. Und das ist so genau richtig.

Mit diesem Text bewerbe ich mich für den scoyo ELTERN! Blog Award 2018. Ich freue mich, wenn ihr mir die Daumen drückt!

Ein Ja ist ein Ja ist ein Ja

… und doch ist es nicht unbedingt das Gleiche.

Im vergangenen Jahr kamen der Ehemann und ich, im Glauben, einen gefestigten, unabänderbaren Weg zu gehen, an eine neue Kreuzung. Nein, eigentlich stolperten wir hinein, aber das ist eine andere Geschichte, die später mal geschrieben wird. Auf jeden Fall standen wir nun irgendwie etwas überrumpelt auf dieser Kreuzung, beratschlagten, welchen Weg wir einschlagen sollen und schauten dabei auf vergangene gemeinsame Wege zurück.

Im vergangenen Jahr wurde unsere Beziehung quasi volljährig. 21 Jahre zusammen, zählten wir erstaunt nach. Davon 12 als Ehepaar.

Jahre, in denen wir erst einmal zueinander finden mussten. Frisch verliebt, aber doch zwei Individuen, die erst einmal ihren eigenen Radius absteckten. Mein Raum, dein Raum, unser Raum. Es gab Zeiten, da waren wir monatelang tausende Kilometer voneinander getrennt, und uns doch ganz nah. Wuchsen dadurch zusammen. Es gab Momente, da lebten wir auf engstem Raum zusammen, und wünschten einander ans andere Ende der Welt.

Wir haben miteinander gerungen, gestritten, uns voneinander entfernt, um dann wieder zueinander zu finden. Wir haben uns umarmt, festgehalten, konnten nicht ohne einander sein. Aus dem vielbeschworenen Schmetterlingsgefühl wurde ein Gefühl von Vertrautheit. Wir haben wunderschöne Reisen gemacht, so viele tolle Momente zusammen erlebt, zwei wunderbare Kinder bekommen. Wir haben schwierige Zeiten erlebt. Einander aufgefangen und gestützt, bei Krankheiten, bei existenziellen Fragen wie Arbeitssuche, Jobverlust, Umstrukturierungen, die das komplette Leben beider durcheinander würfelten. Und wir haben einander festgehalten beim Verlust von lieben Menschen.

Wir sind an einander gewachsen. Aneinander und miteinander. Mit unseren Wegen, Aufgaben, Herausforderungen.

Und dann ergibt es sich, dass wir 21 Jahre nach unserem Kennenlernen, 12,5 Jahre nach unserer Hochzeit einen flapsigen Dialog führen. „Also ich würde dich ja nochmal heiraten.“ „Ich dich auch. Sollen wir?“

Und so standen wir an einem kalten, aber sonnigen Wintertag im Jahr 2018, heute genau vor einem Monat, in einer kleinen Kapelle. 12,5 Jahre älter als bei unserem ersten Ja-Wort. Es war kein großes ‚Lass-uns-feiern‘-Ja wie damals, es war eher ein besonnenes Ja. Noch einmal. Sich das einander Festhalten bestätigen. Ein Ja zu uns, zu unserem gemeinsamen Weg. Mit Ringen, die schon den ein oder anderen Kratzer haben. Aber mit Worten wie „für immer“ oder gar ein „bis das der Tod euch scheidet“, die heute einfach eine andere Bedeutung bekommen haben. Es war ein anderes Ja, aber wir waren immer noch aufgeregt. Und berührt.

Es war ein leises Ja. Mit einem tollen Trauzeugen, der überrascht war und uns eine große Freude damit gemacht hat, es recht spontan zu bezeugen. Das aber Bewegendste an diesem Ja war das Beisein unserer Söhne. Nun schon groß genug, um zu verstehen, was hier passiert, was eine Hochzeit ist.

Zu sehen, wie der 10-Jährige die Zeremonie mit Tränen der Rührung in den Augen verfolgte. Zu spüren, wie uns beide Kinder ganz stolz und glücklich nachher umarmten. „Weißt du, Mama, ich glaube, es ist etwas ganz Besonderes, bei der Hochzeit seiner Eltern dabei sein zu können“, sprach der Große, als er uns sein Geschenk übergab.

Ja, es war nur eine kleine Geste, dieses einfache Ja. Aber irgendwie auch ein Geschenk. Für die ganze Familie.

Danke und Tschüss

Das Glas ist voll. Nicht halbvoll, sondern bis obenhin. Die Kinder haben den Anfang gemacht. Jetzt, wo beide schreiben können, füllten sich ihre Zettel mit Erinnerungen rasch. Und eben auch das Glas. Und dann kamen doch auch noch viele schöne Momente vom Ehemann und mir hinzu. Das war es also, 2017.

Was habe ich mich heute vor einem Jahr darauf gefreut, auf Überraschungen und Pläne , die 2017 für uns bereit halten würde. Wir haben viel Schönes erlebt, aber eben auch Unvorhersehbares. Eine Achterbahnfahrt der Gefühle, einmal das volle Spektrum bitte. Unbedingt mit Looping, der Kopf und Magen umdreht.

Achterbahn ist ein gutes Stichwort, denn so startete unser Jahr im wahrsten Sinne des Wortes. Wir lösten ein Weihnachtsgeschenk ein und besuchten im Winter einen Freizeitpark. Die Jungs haben somit erstmals die Welt der Wasser- und Achterbahnen für sich entdeckt. Und ich, dass ich alt werde und längst nicht mehr in jedes dieser Geräte einsteigen kann.

Ein großes Fest wollten wir feiern, nur für den Großen. Der wuchs in dieser Zeit enorm, traute sich plötzlich Dinge zu, die er vorher für abwegig hielt, trat vor vielen Menschen sicher und souverän auf und freute sich riesig über einen festlich geschmückten Saal, seine Gäste und endlich, ganz ohne heiraten zu müssen, eine Doppeldecker-Torte.

Ein Wochenende nur mit dem Ehemann hat nicht geklappt, aber zum 12. Hochzeitstag ging es zum Open Air Konzert von Depeche Mode. Sonne, Musik, Tanzen. So etwas klingt länger nach. Die Jungs erlebten auch ihr erstes, „großes“ Konzert: Deine Freunde im Kölner Tanzbrunnen.  Tja, so fixt man Kinder an, würde ich sagen.

In den Sommerferien zogen dann, trotz bestem Wetter, dunkle Wolken auf. Am Morgen meines 44. Geburtstags rief meine Mutter an und gratulierte von dort, wo sie eben vor 44 Jahren auch gewesen war – im Krankenhaus. „Nur damals aus einem erfreulichen Grund“, sagte sie noch, ohne die Diagnose zu kennen. Die Worte Krebs, fortgeschritten, inoperabel hörten wir erst am Nachmittag dieses Julitages. Dann ging alles wahnsinnig schnell. Operationen, der Verlust von Kraft. Das Schwinden des Lebenswillens .  Auf einem Glücksmoment-Zettel der Jungs steht „letztes Eis mit Oma“, diese Erinnerung bleibt. Und ich bin dankbar, Zeit zum Begleiten und Abschied nehmen gehabt zu haben. 

Aber das Leben geht einfach weiter. Manchmal schwer zu verstehen. Und doch gut so. Zehn Tage nach der Beerdigung feierten wir Einschulung. Der Kleine ist nicht mehr klein, sondern ein Schulkind. Und wenn nicht das frühe Aufstehen wäre, dann wäre er uneingeschränkt begeistert, denn er saugt alles auf wie ein Schwamm. Er entdeckt, was ihm Spaß macht, misst sich ein bisschen weniger mit dem Bruder, entdeckt, was er kann.

Ach ja, da war vor einem Jahr noch der Wunsch, das Meer zu sehen. Hat nicht geklappt. Dafür habe ich entdeckt, wie schön ich Berge (also noch nicht ganz hohe, aber immerhin) und das Wandern finde. Überhaupt bin ich dieses Jahr wieder gelaufen und habe festgestellt: Ab einem gewissen Punkt hört das Denken auf. Es gibt ihn wirklich, den Aus-Schalter für das Kopfkarussel. Da gilt es dran zu bleiben.

Dann war auch schon fast Weihnachten. Ein anderes, als ich es aus meiner Kindheit und Jugend kenne. In der manchmal mehr als 20 Menschen um lange Tische saßen, meine Mutter für alle kochte – ein „Schweinehuhn“ beispielsweise, wie mein damals kleiner Neffe die große Pute nannte. Dieses Jahr war es leise, im kleinen Kreis. Mit viel Zeit für Gesellschaftsspiele. Und Bücher. Anders, aber schön anders.

Das Jahr hielt neue Menschen bereit,  mit denen ich zusammen gearbeitet, gelacht, geredet habe. Und alte Kontakte, die wieder aufflammten. Und es zeigte mir, dass ich Menschen habe, die mich auffangen, mir Kraft geben, zuhören, mich ermutigen. Dafür bin ich dankbar. 
Und wenn ich 2017 so resümiere,  dann lässt es sich tatsächlich in dem einem Wort zusammenfassen. Dankbarkeit. Für das, was war, was ist, was vielleicht kommen mag. 

So gehe ich ins neue Jahr. Neugierig,  was 2018 mir und uns als Familie bringt. Auch wenn ich diesmal viel weniger Pläne habe, mehr ins Ungewisse schaue und einfach mal abwarte, was passiert.

Wird’s besser? Wird’s schlimmer? fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich. Leben ist immer lebensgefährlich. 

Erich Kästner 

Kommt gut ins neue Jahr und macht das Beste daraus,
eure Rosa

Buchwichteln

Der Gedanke kam mir gestern in der Bücherei. Während der Jüngste gerade Bücher, Comics und Hörspiele stapelte,  stand ich vor den Regalen und fragte mich, was ich wohl als nächstes Mal lesen könnte. Es sollte nur ein Buch sein und da war sie also, die Qual der Wahl. „Ein Tipp wäre jetzt schön“, dachte ich und hatte spontan eine andere Idee.

Auf Twitter verfolge ich neugierig, wer gerade was liest. Was empfohlen, von welchem Buch abgeraten wird. Das ließe sich doch prima mit Weihnachten verbinden. Und da stand sie nun im Raum: Die Idee vom #Buchwichteln.

Die Regeln sind einfach: Wer mitmachen möchte, sendet bis zum 30. November eine Mail an rosa@rosaswelt.info . Für jede/n Teilnehmer/in werde ich einen „Wichtel“ auslosen und dann Anfang Dezember jedem mitteilen, wen er beschenken soll. Gedacht ist an Buch, dass ihr empfehlen würdet oder von dem ihr denkt, das würde dem anderen Spaß machen. Ihr könnt auf Twitter versuchen, Interessen oder Vorlieben herauszufinden oder aber einfach eins eurer Lieblingswerke schenken. 

In die Mail müsste eure Adresse,  an die das Buch gehen soll, wer mag kann auch Hobbys oder Buchinteressen wie spezielle Genre angeben. Eure Adresse wird nur an denjenigen weitergegeben, zudem ihr ausgelost wurdet. Nach Abschluss werde ich alle Adressen bei mir löschen.

Das #Buchwichtel sollte dann bis zum 23.12.2017 beim zu Beschenkenden ankommen.

Ich würde mich freuen,  wenn einige mitmachen. Bei Fragen gerne auch Mail an die oben genannte Adresse. Und jetzt: anmelden!

P.S.: Teilnehmen können auch Buchfreunde aus der Schweiz oder Österreich. Und natürlich auch Leser des Blogs, die nicht auf Twitter sind!

Herbst. Abschied.

Ich sitze neben deinem Bett, halte deine Hand und schaue aus dem Fenster. Von hier aus schaut man ins Grüne. Die Sonne scheint auf die Bäume, das Grün leuchtet richtig. Nur einer hat sich schon verfärbt, glitzert gelb im Sonnenlicht. Es ist doch erst Mitte August. Er kommt früh in diesem Jahr, der Herbst.

Mit einem Waschlappen die Stirn abwischen, die Arme kühlen, das tut so gut, sagst du immer wieder. Und doch halte ich dann wieder deine Hand, auch wenn das warm ist. „Du bist da, du bist bei mir“, sagst du immer wieder. Sie ist noch ein bisschen da, die Angst vor dem Gehen. Ich streichel deine Hand und denke – verkehrte Welt oder der Lauf der Zeit?

Eigentlich hast du meine Hand gehalten. Früher. Jeden Abend. Ich habe an der weichen Haut obendrauf gespielt, es hat dich manchmal wahnsinnig gemacht. Mich hat es immer beruhigt. Die Hand bekam ich trotzdem immer. Nun sitze ich da und denke, sie ist immer noch so weich, deine Haut. Aber du wirkst so klein und zerbrechlich, allein in diesem Krankenzimmer. Die Krankenschwester hat die Bilder der Jungs für dich aufgehangen, sie sind ein bunter Klecks im sterilen Weiß. Und du lächelst, wenn du sie siehst.

„Pass auf deine Jungs auf. Du hast so tolle Jungs. Nimm sie in den Arm, halt sie gut fest“, sagst du, bevor du wieder kurz einnickst. Eine Woche zuvor waren sie zu Besuch. Auf ein Eis in der Cafeteria. Du hast all deine Kraft zusammengenommen. 15 Minuten noch einmal die Oma, die sie kannten. Die Kleider konnten kaum verbergen, wie zerbrechlich du geworden warst. Dass der Stock allein nicht mehr als Stütze reichte. Sie haben dir stolz ihre Bilder gegeben und das Eis geschleckt. Du hattest Tränen in den Augen und ich wusste,  du verabschiedest dich gerade, saugst den Anblick der beiden noch einmal auf.

Nach diesem Tag ging es so schnell. Die Angst vor dem, was kommt, war weg. Wie deine Kraft. Während ich deine Hand halte und denke, du schläfst, beginnst du plötzlich zu sprechen. „Ja, sie ist hier. Ich bin nicht alleine, meine Mädchen sind immer da.“ Drei Jahre lang hast du immer geschimpft,  warum er dich nicht wenigstens im Traum besucht. Meine Schwester und ich haben von ihm geträumt, du nie. „Warum kommt er nicht mal im Traum vorbei, um mich zu trösten?“, hast du gefragt. Er hat dir so gefehlt.  Und jetzt ist er da, im Traum in diesem Krankenzimmer. Steht da und wartet auf dich, drei Monate vor eurem 60. Hochzeitstag. Als du wach wirst, bittest du mich, dem Pfarrer Bescheid zu geben, ob er dich besuchen kommen könne.

Beim nächsten Besuch kannst du kaum noch sprechen. Der Pfarrer war da, alles ist vorbereitet,  dass du nach Hause kommen kannst. Wir kommunizieren über das Hände halten. Ein fester Druck. Schön, dass du da bist. Noch einer. Das tut mir so gut. Mir auch, Mama. Mir auch.

Es ist mein letzter Besuch bei dir. Die Bilder der Jungs hängen Zuhause in deinem Zimmer, ein Foto von ihnen, ganz groß, damit du es ohne Brille sehen kannst. Hier kannst du loslassen. Und einen Tag später schläfst du ein.

Heute wollen wir dich feiern. Dein 86. Geburtstag. Und zugleich Sechswochenamt. So lange liegt deine Beerdigung schon zurück, und verstehen  kann ich es immer noch nicht wirklich. Die Bilder der Jungs hast du mitgenommen ins Grab. Ich hoffe, sie bewirken immer noch ein Lächeln. Jetzt bist du bei ihm, dem Mann, mit dem du fast dein ganzes Leben verbracht hast, ohne den du nur schwer  sein konntest. Und du bist bei deinem Erstgeborenem, der nur ein Tag alt wurde. Den sie dir damals vorenthielten, weil sie dachten, du seist nach der Geburt zu schwach, den du nicht halten durftest, bevor er unerwartet starb. Du und schwach. Eben das warst du nie. Viele haben es nie verstanden, warum es dir auch nach 60 Jahren noch weh tat. Ich weiß, wie es dich auch 2017 noch schmerzte, dass du nie ein Grab, keine Anlaufstelle für die Trauer um ihn hattest. Und ich hoffe so, dass ihr drei jetzt irgendwo zusammen seid,  Papa, der unbekannte Bruder und du, und den heutigen Tag zusammen feiert.

Ich liebe den Herbst. Die Farben, das fallende Laub. Dein Geburtstag war für mich immer ein Startschuss für diesen. In diesem Jahr macht er mich erstmals auch melancholisch. Er kam früh in diesem Jahr, der Herbst. 

Happy Birthday, Mama. Ich vermisse dich. 

Ferieneingewöhnung oder: Wo bitte geht’s denn hier zum Abenteuer?

Was haben wir hier drauf gewartet: Ferien, endlich frei! Keine Schule, keine Hausaufgaben, lange schlafen, spielen, machen, wozu man Lust hat.

Okay, soweit die Vorstellung.

Und dann beginnt sie, die Realität. Um 6 Uhr ist der Große, der in den letzten Wochen mit Engelsgeduld um 7 Uhr aus dem Bett geredet werden musste, hellwach. Ferien! Machen, was ich will. Und dann trifft er sie in seinem Zimmer, die Ernüchterung. Er sitzt da, schaut sich um. Im Gegensatz zur Familie putzmunter. Er könnte lesen. Oder was mit Lego bauen. Wie ist das Wetter, können wir den Pool aufbauen? Mama, wie wäre es mit einer Runde Kniffel? Machen wir eine Radtour? Unbegrenzte Möglichkeiten. Allerdings ist die Diskussionsbereitschaft der Eltern um diese Zeit – zurückhaltend. So viele Möglichkeiten. Aber es fühlt sich alles nicht nach Ferien an. Dieses Gefühl von Freiheit, Faulenzen. Es stellt sich einfach nicht sofort ein. Alles ist langweilig, doof, kennt er schon. Wo bitte geht’s denn jetzt zum Abenteuer?

Im Zimmer nebenan wird der kleine Bruder wach. Erster Gedanke: Ich habe Ferien. Kurze Nachfrage: „Mama, wann ist wieder Kindergarten, ich wollte doch noch mein Buch zeigen?“ Vorsichtige Antwort: „Die Kindergartenzeit ist doch jetzt vorbei, wir können deine alte Gruppe nach den Ferien mal besuchen…“ Und jetzt trifft der Kleine sie in seinem Zimmer, die Erkenntnis. Er ist jetzt kein kleines Kind mehr. Er wird bald ein Schulkind sein. Heute geht er das erste Mal in eine Ferienbetreuung, mit Kindern, die er noch nicht kennt, wie ein Großer. Yippieh! Er kramt seinen Rucksack hervor, schnell, Verpflegung rein, wir fahren mit dem Fahrrad, dem größeren mit Gangschaltung, dass er just von seinem Bruder übernommen und gegen das Kinderrad getauscht hat. Groß, groß, er ist endlich groß. Dieser Duft von Freiheit!

Im elterlichen Schlafzimmer schauen vier müde Augen auf den Wecker. Es ist 6.15 Uhr. Da war doch was? Ach ja, Ferien. Warum haben wir unseren Urlaub nicht auf die ersten drei Wochen der Sommerferien gelegt, dann könnten wir uns auch gerade auf Langeweile und Abenteuer freuen. Stattdessen der erste Gedanke: Warum so viele Worte vor dem Weckerklingeln? Ach nein, der klingelt ja heute für die Kinder gar nicht. Dafür scheppert neben meinem Ohr der Kniffel-Würfelbecher. „Eine Runde, Mama?“ Ich kann nicht würfeln, bevor ich den ersten Kaffeebecher gehalten habe. Äh, ich meine geleert habe.

8.30 Uhr. Der Große, der noch vor einer Stunde absolut keine Lust auf Ferienbetreuung hatte, hört Musik, tanzt, macht sich fertig. Er will jetzt schnell los, seine Freunde warten. Das ‚Du-hast-noch-Zeit‘ hört er nicht mehr, ihm ist eingefallen, wie Ferien gehen. Dass er diese Woche durch die Natur streifen wird, mit Freunden über Felder und durch Wälder toben wird. Ohne große Vorgaben. Einfach mit Spaß, Lachen, matschigen Füßen oder verstaubtem Gesicht.

Der Kleine hat seinen Fahrradhelm an und wartet nur drauf, mich abzuhängen. „Los Mama, es sind Ferien. Ich fahr‘ nicht mehr wie ein Kleiner zur Kita.“ Groß, groß, er ist groß. Wann radeln wir denn endlich los ins Abenteuer?

Wir Eltern nicken uns stumm zu, bereiten uns auf unseren Alltag vor. Noch drei Wochen. Dann haben wir Urlaub. Mal sehen, wie lang unsere Eingewöhnungszeit dauern wird.

Was auf Zeugnissen steht – und was darauf stehen sollte

Noch sechs Tage, dann ist es wieder soweit. Es gibt Zeugnisse. Zwei Jahre liegt es nun zurück, das erste Zeugnis, das mit einer Mischung aus Freude und Bauchweh entgegen genommen wurde. Zwei Jahre liegt unser Treppengespräch nun zurück. Schule ist mehr und mehr zum Alltag geworden. Schule ist nicht mehr vor allem spannend und aufregend. Schule ist öfter auch mal doof, oft auch langweilig. Und Schule ist mehr und mehr Stress.

Das nächste Schuljahr, das nächste Zeugnis wird entscheidend sein für den nächsten Schritt – die weiterführende Schule. Und während wir Eltern hier gerne einfach Schritt für Schritt gehen würden, den Druck soweit wie möglich rausnehmen wollen, steht es plötzlich mitten im Kinderzimmer, das „Weiterführende-Schule-Gespenst“. Wie geht es nach der Grundschule weiter?

Wie oft werden wir von anderen Eltern gefragt, was wir geplant haben. Wie oft werden wir erstaunt angesehen, weil wir nicht schon in den vergangenen Schuljahren Infoabende weiterführender Schulen besucht haben. Aber das ist nicht wichtig, denn der Ehemann und ich können das wegstecken.

Aber wir haben den Druck, den wir nie machen wollten, der aber von außen auf das Kind presst, unterschätzt. „X wird auf diese Schule gehen, Y dahin…“ Während ich denke, sie tauschen ihre Ninjago-Karten auf dem Schulhof, diskutieren sie immer öfter auch das „Was-kommt-dann“. Und dann drängt sich die Frage „Bin ich gut genug?“ in die Köpfe von 9- und 10-Jährigen. Diesmal kam sie nicht unmittelbar vor der Zeugnisvergabe auf der Treppe. Sondern beim Frühstück, eine Woche vorher.

Bin ich gut genug? Gut genug für was? Du kannst toll rechnen, liest gerne, bist eine Sportskanone. Ja, du machst Fehler. Ja, du reagierst nicht immer „schulkonform“. Aber hey, du bist 9! Du steckst voller Ideen, erfindest Geschichten, malst wahnsinnstolle Bilder, drehst Filme. Du spielst mit deinem Bruder Schule, bringst ihm so viel bei, dass er es zum Beispiel in der Schule in einigen Bereichen bestimmt leichter haben wird, als du es hattest. Du bist eine Sportskanone, läufst so schnell, springst so weit, wirfst voller Kraft, dass ich mich oft Frage, wo all die Energie in dem drahtigen Körper steckt. Du liebst die Natur, hast eine Auge für die schönen Dinge um dich herum. Du bist ein Quatschmacher. Beim Durchblättern deines Freundebuches fiel mir auf, dass fast jeder deiner Freunde unter ‚was ich an dir mag‘ nicht nur schrieb, dass man mit dir viel Spaß hat, sondern dass du hilfsbereit bist. Klar streitest und schimpfst du. Aber du bist auch voller Empathie. Du bist nicht gut. Du bist toll. Das alles sollte eigentlich auch in deinem Zeugnis stehen.

„Auf welche Schule würde ihr Kind denn gerne gehen?“ fragte mich jüngst jemand vom Lehrpersonal. Ganz ehrlich? Mein Kind hat überhaupt keine Vorstellung, was Gesamtschule, Gymnasium, Realschule bedeuten. Es ist 9. Und wenn ich es frage, dann will es eines: In eine Schule mit seinen Freunden gehen. 

Wir werden uns also im Herbst, wenn es dann soweit ist für diesen Schritt, weiterführende Schulen anschauen. Wir werden sehen, was auch dem Kind dann zusagt, wenn es sich ein Bild gemacht hat. Bis dahin versuchen wir weiterhin uns -wenn auch möglicherweise naiv- dem Entscheidungsdruck entgegenzustellen.

Und warten sehnsüchtig erstmal auf die anstehende nächste Etappe: Ferien. Nur noch 10 Tage.

Endlich Schule. Und jetzt?

Warten ist nicht gerade meine Stärke. Und nachdem der jüngere Sohn keinen Platz an der gleichen Grundschule wie der ältere bekommen hatte, war ich zappelig. Ich beschloss, wegen des Betreuungsplatzes – in Bonn Offene Ganztagsschule, kurz OGS genannt – beim Träger nachzufragen. Und bekam die glückliche Nachricht: Wir haben auch für den zweiten Sohn einen Platz.

Ein OGS-Platz, das bedeutet, das Kind ist nach Schulschluss betreut. Es gibt ein gemeinsames Mittagessen und die Hausaufgaben werden dort gemacht. Ab 15 Uhr bis 16.30 Uhr können die Kinder abgeholt werden. Zudem gibt es je nach Schule beispielsweise sportliche oder kreative AG-Angebote.

Ein Gespräch mit zwei befreundeten Müttern, deren Kinder jetzt auch eingeschult werden, machte mir noch einmal deutlich, wie froh ich über den Platz sein kann – ihre Kinder wurden abgelehnt. Denn im Gegensatz zum Rechtsanspruch bei der Kita gibt es nichts Vergleichbares an der Schule. Und Schulschluss ist in den ersten zwei Jahren meist um 11.30 Uhr. 11.30 Uhr. Mit welchem Job soll das vereinbar sein?

Als unser Ältester ein Jahr alt war, wollte ich wieder in den Job einsteigen. Mein Mann hatte schon im ersten Jahr Stunden reduziert, so dass ich Kontakt halten und freiberufliche Aufträge annehmen konnte. Bei der Suche nach einer Tagesmutter dachten wir ganz naiv, puh kompliziert. Aber wenn das einmal geregelt ist…

In Wahrheit wurde hier schnell deutlich – auch im Kontakt mit anderen Eltern: Unsere Tagesmutter war die einfachste und flexibelste Lösung, die wir je finden sollten. Schon bei der zweiten, die wir besuchten, stimmten Bauchgefühl und alles drum herum. Wir konnten unsere Kinder tageweise bringen, mussten nur die betreuten Stunden zahlen, keinen Pauschalbetrag.

Mit 3 Jahren dann der Wechsel in die Kita: Es war zufällig ein 35-Stunden-Blockplatz frei. Das hieß damals: Vormittags bis 12 Uhr, dann hätte das Kind nachmittags von 14 bis 16 noch einmal kommen können. Da der zweite Sohn gerade geboren war, für uns machbar – und im Sommer darauf konnten wir auf einen regulären Platz aufstocken.

Dann kam die Schul- und Betreuungssuche. Schon bei der Anmeldung wurden wir darauf hingewiesen, wie schwer die Platzvergabe sei. Dass man sich ggf mit anderen Eltern organisieren sollte, wenn man keinen bekäme. Für hin und wieder eine gute Idee, aber als dauerhafte Lösung? Das ist bis heute keine wirkliche Alternative, doch für Eltern, die keinen Platz bekommen, notwendiger Alltag.

An unseren beiden Schulen gibt es von Eltern organisierte Übermittag-Vereine. Das heißt, die Kinder werden dort bis 14 Uhr ehrenamtlich betreut, aber ohne Hausaufgaben und ohne Mittagessen. Es sind tolle Einrichtungen und das Engagement der dort Aktiven ist großartig. Aber für uns hätte diese Lösung zeitlich nicht gereicht. Und auch hier gilt: Die Plätze sind beschränkt.

Sowohl der Ehemann als auch ich sind ehrenamtlich in Schule und Kita aktiv. Wir haben auf unterschiedliche Weise Einblick in die Platzvergabe. Und wir haben festgestellt, wie schwer sich auch die Einrichtungen mit den Absagen tun. Aber es gibt nun mal Kriterien, nach denen sie sich richten müssen: Berufstätigkeit, alleinerziehend, Geschwister etc..

Das Problem sind nicht die Träger, sondern die politische Situation. In der Politik sind Kitaplätze das Thema. Mit dem Ausbau, dem dort investierten Geld, posiert man gern. Der Ausbau ist wichtig und notwendig. Aber es ist eben nur ein Baustein. Und so kommt es mir vor, als baue man hier im Bildungs- und Betreuungswesen ein Haus, nur leider ist nach dem Erdgeschoss das Geld weg. Und außerdem habe man überhaupt vergessen, weitere Stockwerk einzuplanen. Und natürlich gar nicht berücksichtigt, wie viele Personen einziehen sollen.

Die Aufgaben der Mitarbeiter an den OGSen werden immer größer. Mehr Kinder suchen einen Platz, Inklusion sollte eigentlich nicht nur vormittags ein Thema sein und Betreuung qualifiziert, keine Verwahrung. Das ganze dann aber mit wenig Personal bzw. Geld.

Wenn jetzt wie in NRW Landtagswahlen oder im September Bundestagswahlen sind, dann ist das die richtige Gelegenheit, mal bei seinen Kandidaten die Schul- UND Betreuungspolitik an Schulen zu hinterfragen. Und Forderungen zu stellen.

Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, der Kitaausbau ist wichtig – aber was nützt er, wenn man drei oder vier Jahre später beim Thema Schule und Betreuung von Stadt/Kommunen gesagt bekommt: Das ist nicht unsere Aufgabe, dafür gibt es keinen Rechtsanspruch, da machen wir nichts? Und auf die finanzielle Ausstattung gehe ich gar nicht erst weiter ein…

In den meisten Fällen sind es wieder die Frauen, die zurückstecken. Ihren Job aufgeben, kürzer treten, nicht wieder einsteigen (können). Aber betroffen sind die Familien insgesamt und vor allem die Kinder, und um die geht es doch. Gute, qualifizierte Betreuung endet nicht nach der Kita. Und übrigens auch nicht unbedingt direkt nach der Grundschule. Was Vereinbarkeit von Familie und Beruf braucht, ist Weitsicht über plakative Themen hinaus und langfristige Planungen.

Erwartungen

Eislaufmutter. Sagt heute keiner mehr. Können Jüngere wahrscheinlich gar nichts mit anfangen. In den 80er Jahren wusste jeder, was gemeint war, wenn man davon sprach. Eislaufmutter. Eine Mutter, die ihr Kind pusht, Erwartungen von sich auf den Nachwuchs überträgt, ehrgeizig, mit dem Kind erreichen möchte, was sie selbst nicht geschafft hat.

Für mein Eltern-Dasein hatte ich mir vorgenommen: Nicht überbehüten, Freiräume lassen, vor allem nicht eigene Erwartungen auf das Kind übertragen.

Als ich das erste Mal schwanger war, war ich einfach neugierig. Wer wächst da heran, wie wird er sein, was wird er mögen, gerne machen, wie wird er sich entwickeln. Ich wollte ihm völlig erwartungsfrei gegenüber treten. Für immer. Dachte ich so naiv. Nur eines wünschte ich mir für meinen Sohn. Dass er ein glückliches Kind wird/ist.

Und da war sie schon, die erste Erwartung. Was ist Glück? Wann ist man glücklich? Kann man einfach von sich aus glücklich sein? Im Nachhinein denke ich manchmal, puh, ganz schöne Bürde, die ich ihm da mit meinem Wunsch auferlegt habe. Denn wer ist schon immer glücklich? Zum Glücklichsein gehört auch traurig sein. Es gehört dazu, sich selbst auszuprobieren, zu scheitern, neu Anlauf zu nehmen, Fehler zu machen, sie zu akzeptieren und anzunehmen. Zu lernen, gegen Wände zu laufen, darüber zu lachen, über sich lachen, aber auch auf sich wütend sein und auch auf die Welt um sich herum. Es gehört dazu, den eigenen Weg zu finden.

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Und dann stehe da auch ich noch herum. Mal als hilfreicher Wegweiser, mal als
Blitzableiter, mal einfach nur als zusätzliche Hürde. Das Schwierigste
an all diesen Aufgaben ist es, erwartungsfrei zu sein. Ich gebe zu: Ich
kann es nicht immer.

Ich habe nicht die Erwartung, dass mein Kind einen bestimmten Notenschnitt erreichen muss. Dass mein Kind auf ein Gymnasium muss. Dass es eine bestimmte Karriere machen soll. Aber ich habe Erwartungen. Immer wieder, mal unbewusst, mal ganz deutlich. Oft welche, die für ein Grundschulkind vielleicht einfach zu viel sind. Und obwohl ich das weiß, kann ich sie nicht ganz los lassen. Ich sehe den Druck, den das Kind sich selber macht. Dass es sich immer mit den Besten misst. Und selbst wenn es in einem Bereich – ob nun Schule oder Hobby – zu den Guten gehört, macht es sich selbst oft schlecht. Oder verweigert sich total, denn wenn es nicht ganz vorne sein kann, dann kann es das ja auch ganz lassen. Ich sehe, wie es sich selber manchmal den Weg schwer macht, sich Steine in den selbigen legt. Dann kommen sie hoch, die Erwartungen: Du kannst so viel, warum siehst du das nicht? Warum bist du wütend, kannst es nicht einfach noch einmal probieren?Wieso Faxen und Clownereien, das hilft doch nicht weiter? Nimm doch an, was ich dir erkläre/ rate.

Und dann verzweifle ich fast daran, zusehen zu müssen, wie das eigene Kind gegen Wände rennt. Sich Dellen und Beulen holt. Versuche ich einzugreifen, gegenzulenken, wird es nur schlimmer. Dann bricht das Gewitter los. Schlimmstenfalls in einem Moment, in dem ich mich gerade überhaupt nicht als Blitzableiter eigne. Sondern eher einem Vulkan gleiche, dem der letzte Funke zum Ausbruch nur noch fehlte.

Ich übe das Zuschauen. Wirklich. Das gegen Wände laufen lassen, ungebremst. Ich stehe dann da. Mit einem Kühlpad, einem Pflaster und bereit, in den Arm
zu nehmen, zu trösten. Manchmal muss der Vulkan dafür auch erst etwas abkühlen, aber das tut er, immer.

Ich sehe, wie das andere Kind dann oft versucht, erst Recht Erwartungen zu
erfüllen. Es sieht die Zusammenstöße, die Wut, Enttäuschung, das Traurig sein. Und bemüht sich dann, genau diese Hürden zu umgehen. „Ich mache das dann so wie du gesagt hast…“ ist so ein Satz, der mich hier aufschrecken lässt (man kann es mir auch nicht Recht machen!).

Denn beim zweiten Kind hatte ich schon einen anderen Wunsch, schon wieder eine Erwartung. Nachdem ich in der Schwangerschaft erste Reaktionen wie „Oh, noch ein Junge. Praktisch, dann kennt man ja schon alles“ zu hören bekam, habe ich mir für ihn gewünscht: Sei du. Gehe deinen Weg, ohne dich zu vergleichen oder zu messen.

Auch das ist nicht immer einfach mit einem großen Bruder, der vieles eben schon kann. Irgendwie geht es auf die Bäume rauf, auch wenn man allein nicht mehr runter kann. Abends schaut das Kind sich so lange Bücher an, bis aus den Buchstaben Wörter werden, damit es lesen kann, wie der Große auch. Und ein Strich über dem Rand im Malbuch führt zu Tränen, weil der große Bruder eben schon so schön und fehlerlos malt.

Auch hier hilft nur: Daneben stehen, zeigen, dass ich immer da bin, aber machen lassen. Immer mal wieder erwähnen: Du bist du.

Ungerechterweiser fällt mir das leichter als das Zuschauen, wie jemand es sich selber schwer macht, wie er manchmal nicht nur gegen den Rest der Welt, sondern gegen sich selbst kämpft.

Und dann überraschen sie mich. Jeder auf seine Art. Der eine zum Beispiel, der mir plötzlich erzählt, dass er ein Ziel erreicht hat. Obwohl er mir Wochen lang immer wieder alle Brocken vor die Füße geworfen hat, immer wieder betonte, das wäre der größte Mist, nie würde er es schaffen, nie wieder je versuchen. Oder der andere, der mir beispielsweise einfach sagt: Nein, ich möchte das doch nicht ausprobieren. Ich weiß, dass das mir nicht gefallen wird, ich bin da anders als der Große.

Ich habe Erwartungen. An beide Kinder. Dazu kommen Erwartungen, Aufgaben, Pflichten von außen – Schule, Kita, Freunde, Vereine – , mit denen die Kinder lernen müssen, umzugehen. Ich habe Erwartungen und Hoffnungen, aber es sind meine. Das weiß ich, muss ich mir dennoch immer wieder klar machen. Die Kinder gehen ihren Weg. Auch wenn sie sich dabei immer wieder den Kopf stoßen, oder umschauen, wie es andere machen. Auch wenn ich mir dabei immer wieder Sorgen mache oder Zukunftsängste habe. Alles wird gut. Erwartungen sind okay. Hauptsache das Vertrauen in die Kinder ist größer.