Das Thema trage ich seit April des vergangenen Jahres mit mir herum. Die Texte von Frl.Null.Zwo und @stadtneurotikr berührten dann Ende des Jahres genau diesen wunden Punkt, wie gehe ich mit dem Thema Tod und Kinder richtig um. So viel vorweg: Es gibt keine Pauschalantwort, es gibt schließlich auch nicht „das Kind“, sondern lauter verschiedene kleine Menschen. Ich hoffe nur, dass ich den für meine Kinder richtigen Weg gefunden habe.
„Wer bist du – und was schleichst du hinter mir her?“ „Schön, dass du mich endlich bemerkst“, sagte der Tod. „Ich bin der Tod.“ Die Ente erschrak. Das konnte man ihr nicht übel nehmen. „Und jetzt kommst du mich holen?“ „Ich bin schon in deiner Nähe, so lange du lebst – nur für den Fall.“ „Für den Fall?“ fragte die Ente. „Na, falls dir etwas zustößt. Ein schlimmer Schnupfen, ein Unfall, man weiß nie.“ (aus Wolf Erlbruch, Ente, Tod und Tulpe)
Der Anruf kam, als ich mit den Kindern bei ihrer Kita-Freundin im Garten saß. Ein schöner Frühlingstag, die Sonne kitzelte. „Er ist tot, Papa…“ Eingehangen. Es war mehr ein Schreien, die einzelnen Worte kaum zu verstehen. Aber die Panik in der Stimme meiner Mutter sagte alles. Als ich dem Großen sagte, Opa ginge es nicht gut, ich würde jetzt hinfahren und sie könnten noch hier spielen, bis Papa sie abholen würde, nahm er mich kurz in den Arm und sagte: Okay. Kein Theater, kein Ich-will-aber-mit wie sonst so oft. Nur ein intensiver Blick, eine Umarmung.
Als ich abends beschloss über Nacht bei meiner Mutter zu bleiben, telefonierte ich mit den Jungs. „Ist Opa tot? Wo ist er jetzt?“ Es war nur der Anfang von einer Vielzahl von Fragen. Fragen, die auch ein Jahr danach, immer noch auftauchen.
Wie spricht man mit Kindern über den Tod? Wie geht man vor und mit Kindern mit der eigenen Trauer um? Wie schwer dieses Thema ist, wie unterschiedlich Menschen reagieren, wie schnell es in diesen emotionsgeladenen Momenten zu tiefen Verletzungen kommt, wurde mir erst in diesen Tagen der Trauer bewusst. Die Frage, wie man mit Kindern und dem Thema Tod umgeht, überlagerte einiges. Denn für mich stand fest, dass meine Kinder zu mir, zur Familie und damit auch zur Beerdigung gehören – wenn sie dabei sein wollen. Was für eine Lawine ich damit lostrat, habe ich nicht im entferntesten geahnt.
„Tod ist kein Thema, über das man mit Kindern spricht.“
„Als Mutter musst du deine Kinder beschützen, nicht belasten.“
„Eine Beerdigung ist nichts für Kinder, nachher wird er wegen dieser Erfahrung Bettnässer.“
„Sprich nicht mehr als notwendig über den Opa, ermutige sie nicht auch noch, sich mit dem Thema beschäftigen zu müssen.“
Ratschläge dieser Art, von Menschen, die einem durchaus nahe standen, das hat mich getroffen, fassungslos gemacht. Aber es gab auch andere Stimmen. Die Oma erklärte, sie würde gerne jede Frage nach dem Opa beantworten. Der Pfarrer bekräftigte das Einbeziehen der Enkel, die Erzieherinnen der Kita bestärkten mich.
Schon drei Monate bevor mein Vater starb, war der Tod zwischen mir und meinem großen Sohn ein Thema. Völlig unerwartet starb die kleine Tochter einer Freundin. Als ich die Nachricht bekam, hat es mich umgehauen, ich bekam einen Moment lang kaum Luft, dann schossen mir die Tränen in die Augen. Und der Große sah mich weinen. Ich hätte es nicht verbergen, schönreden können. Und so sprachen wir erstmals über den Tod. Es war der Augenblick, in dem ihm klar wurde, dass jeder sterblich ist. Man muss nicht alt oder sehr krank sein. Auch er kann sterben. Oder sein Papa. Oder ich. Oder eben sein Opa. Wir sprachen darüber, dass Sterben zum Leben gehört. Das Trauern dazu gehört. Dass man Weinen, aber dennoch auch immer noch Lachen kann.
Als der Opa dann starb, hat er geweint. Und er hat gefragt, nach Geschichten vom Opa. Woran erinnere ich mich gerne, was hat Opa als Kind erlebt, wie hat er Oma kennengelernt. In diesen Tagen/Wochen wollte er nichts Vorgelesen bekommen. Ich sollte vom Opa erzählen. Vom Quatschmacher-Opa, der prima Reimen konnte. Vom König der Arschbomben, bei keinem spritzte das Wasser höher. Wir haben zusammen geweint und gelacht. Und ich glaube, in dieser Zeit hat er verstanden, was ich damit meinte, dass der Opa zwar tot, aber dennoch immer irgendwie bei uns, in unserem Herzen sei.
Für die Beerdigung bastelte er eine Kerze, mit einem Regenbogen und einer Taube darauf. In der Kita war gerade das Thema Arche Noah behandelt worden. Die Entscheidung, ob er bei der Beerdigung dabei sein wolle oder nicht, habe ich ihm überlassen. Wir haben darüber gesprochen, was eine Beerdigung ist. Wir haben gesagt, dass er mit allen die Beerdigung feiern könne oder dass wir am Wochenende darauf alleine zum Grab gehen könnten und er ganz normal zur Waldwoche in die Kita könnte. Er hat eine Nacht drüber geschlafen. Am nächsten Tag hat er gesagt: „Mama, du hast immer erzählt, dass Opas Lieblingsort der Wald ist. Ich möchte lieber in den Wald und dann später mit dir und Papa allein zum Grab.“
So haben wir es auch gemacht. Als wir uns am Tag der Beerdigung dann abends unterhielten, erzählte er ganz stolz: „Mama, als ich im Wald stand, da schneite es plötzlich Pollen auf uns herunter. Das war der Opa, der hat sie uns geschickt.“
P.S. Und wer glaubt, ein Dreijähriger wäre zu jung für dieses Thema, würde es nicht verstehen, der unterschätzt Kinder gewaltig. Auch der Kleine hat gefragt, wollte Geschichten vom Opa hören. Hat sich mit dem großen Bruder über den Opa unterhalten. Einen Monat nach dem Tod wurden in der Kita T-Shirts bemalt. Der Kleine malte sich, eine Sonne darüber – und eine Wolke. „Auf der sitzt der Opa, der ist immer bei mir.“