Was auf Zeugnissen steht – und was darauf stehen sollte

Noch sechs Tage, dann ist es wieder soweit. Es gibt Zeugnisse. Zwei Jahre liegt es nun zurück, das erste Zeugnis, das mit einer Mischung aus Freude und Bauchweh entgegen genommen wurde. Zwei Jahre liegt unser Treppengespräch nun zurück. Schule ist mehr und mehr zum Alltag geworden. Schule ist nicht mehr vor allem spannend und aufregend. Schule ist öfter auch mal doof, oft auch langweilig. Und Schule ist mehr und mehr Stress.

Das nächste Schuljahr, das nächste Zeugnis wird entscheidend sein für den nächsten Schritt – die weiterführende Schule. Und während wir Eltern hier gerne einfach Schritt für Schritt gehen würden, den Druck soweit wie möglich rausnehmen wollen, steht es plötzlich mitten im Kinderzimmer, das „Weiterführende-Schule-Gespenst“. Wie geht es nach der Grundschule weiter?

Wie oft werden wir von anderen Eltern gefragt, was wir geplant haben. Wie oft werden wir erstaunt angesehen, weil wir nicht schon in den vergangenen Schuljahren Infoabende weiterführender Schulen besucht haben. Aber das ist nicht wichtig, denn der Ehemann und ich können das wegstecken.

Aber wir haben den Druck, den wir nie machen wollten, der aber von außen auf das Kind presst, unterschätzt. „X wird auf diese Schule gehen, Y dahin…“ Während ich denke, sie tauschen ihre Ninjago-Karten auf dem Schulhof, diskutieren sie immer öfter auch das „Was-kommt-dann“. Und dann drängt sich die Frage „Bin ich gut genug?“ in die Köpfe von 9- und 10-Jährigen. Diesmal kam sie nicht unmittelbar vor der Zeugnisvergabe auf der Treppe. Sondern beim Frühstück, eine Woche vorher.

Bin ich gut genug? Gut genug für was? Du kannst toll rechnen, liest gerne, bist eine Sportskanone. Ja, du machst Fehler. Ja, du reagierst nicht immer „schulkonform“. Aber hey, du bist 9! Du steckst voller Ideen, erfindest Geschichten, malst wahnsinnstolle Bilder, drehst Filme. Du spielst mit deinem Bruder Schule, bringst ihm so viel bei, dass er es zum Beispiel in der Schule in einigen Bereichen bestimmt leichter haben wird, als du es hattest. Du bist eine Sportskanone, läufst so schnell, springst so weit, wirfst voller Kraft, dass ich mich oft Frage, wo all die Energie in dem drahtigen Körper steckt. Du liebst die Natur, hast eine Auge für die schönen Dinge um dich herum. Du bist ein Quatschmacher. Beim Durchblättern deines Freundebuches fiel mir auf, dass fast jeder deiner Freunde unter ‚was ich an dir mag‘ nicht nur schrieb, dass man mit dir viel Spaß hat, sondern dass du hilfsbereit bist. Klar streitest und schimpfst du. Aber du bist auch voller Empathie. Du bist nicht gut. Du bist toll. Das alles sollte eigentlich auch in deinem Zeugnis stehen.

„Auf welche Schule würde ihr Kind denn gerne gehen?“ fragte mich jüngst jemand vom Lehrpersonal. Ganz ehrlich? Mein Kind hat überhaupt keine Vorstellung, was Gesamtschule, Gymnasium, Realschule bedeuten. Es ist 9. Und wenn ich es frage, dann will es eines: In eine Schule mit seinen Freunden gehen. 

Wir werden uns also im Herbst, wenn es dann soweit ist für diesen Schritt, weiterführende Schulen anschauen. Wir werden sehen, was auch dem Kind dann zusagt, wenn es sich ein Bild gemacht hat. Bis dahin versuchen wir weiterhin uns -wenn auch möglicherweise naiv- dem Entscheidungsdruck entgegenzustellen.

Und warten sehnsüchtig erstmal auf die anstehende nächste Etappe: Ferien. Nur noch 10 Tage.

2 Gedanken zu „Was auf Zeugnissen steht – und was darauf stehen sollte“

  1. Ich finde diese Zeugnisse auch so schwer und ätzend. Und immer dieses Erstaunen, wenn das Kind nicht auf das Gymnasium kommen wird. Es klingt, als ob Realschule das Aus aller Träume bedeutet. Wie schade! Umso mehr freue ich mich, dass das Kind Selbstbewusstsein zeigt, Zeit mit sich verbringt, mit Tieren redet, hilfsbereit und selbständig ist – all das steht leider nicht im Zeugnis.

  2. Meine bzw unsere Erfahrungen sehen so aus. Die Große, mittlerweile in der 7. Klasse der Realschule, hätte von den Noten her villeicht sogar das Gymasium wählen können, wie viele ihrer (Ex) Freundinnen. Einige von denen haben es dort nicht geschafft und sind zur Realschule bzw Gesamtschule gewechselt.
    Für Pauline selbst und auch für uns gab es nur die Wahl zwischen Realschule und Gesamtschule. Letztere fiel weg, da sie bei uns am Ort als eine Art Ersatzhauptschule dient und der Ruf reichlich ruiniert ist. So ist es die Realschule geworden, genau die auf die ich selbst vor langer Zeit gegangen bin.
    Freundinnen oder bekannte traf sie dort kaum, aber das war noch nie ihr Problem, ging sie doch schon auf Grund einer Gehbehinderung nicht am Wohnort zur Grundschule, sondern in der Stadt.

    Die Kleine geht seit einem Jahr zum Gymnasium. Die Wahl des Schultyps war eindeutig als eine der Jahrgangsbesten. Bei uns gibt es 3 Gymnasien zur Auswahl. Alle 3 wurden von uns an den Tagen der offenen Tür unter die Lupe genommen. Alle 3 waren irgendwie geeignet. Die Entscheidung traf Annalena selbst und zwar nicht nach Kriterien wie, welche Freundinnen gehen da auch hin, oder wie weit ist es es, sondern was und wie lerne ich dort.
    Sie geht auf ein naturwissenschaftlich orientiertes Gymnasium, das an 3 Tagen einen Ganztagsunterricht betreibt. Wissenschaftliches Arbeiten ist ihr Ding und Ganztag kennt sie von der Grundschule.
    Die Noten von beiden Kindern liegen im oberen Bereich ihrer Klassen.
    Wir haben zusammen offensichtlich den richtigen Schultyp für beide ausgewählt.

    Bald gehts dann an die Wahl von Ausbildung, bzw Studium.

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